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FrauenWohnen eG

Erste Frauen Wohn- und Baugenossenschaft München

*** von Barbara Yurtdas ***

In München konnte in diesem Jalır nach langer Vorbereitungs- und Planungszeit der Spatenstich für das erste Bauvorhaben der ersten Frauen-Wohn- und Baugenossenschaft erfolgen. Die zahlreichen und vielfältigen Aktivitäten der Projektgründerinnen und vieler Unterstützerlnnen ermöglichten diesen Erfolg.

„Wir haben einen Traum.

Frauen brauchen Raum.

Doch von selber wird das kaum.

ein Haus fällt nicht vom Baum“

So rappten am 30. Juli 2005 die Genossinnen von FrauenWohnen bei der Feier zum ersten Spatenstich für ihre Wohnanlage in München Riem. Mit Ansprachen und Gesang, mit dem Vergraben von Wunschzetteln, mit Sekt und Tanz feierten die künftigen Bewohnerinnen zusammen mit allen, die das Projekt unterstützen und möglich machen.

Frauen brauchen Raum

Anfang der 90er Jahre hatten einige Frauen die Idee, ein Haus für Frauen zu bauen. Denn der Wohnungsmarkt bietet vielen Frauen nicht das, was sie sich wünschen: selbstbestimmt und in einem nachbarschaftlichen, frauenfreundlichen Umfeld zu wohnen. Weil die Immobilien allen Frauen gemeinsam gehören sollten, wären damit die Wohnungen vor Mietwucher und Kündigung geschützt. ln Planung und Architektur sollten die Wünsche der Erstbezieherinnen berücksichtigt werden. Der Weg zur Verwirklichung dieser Ziele war steinig. Nicht nur, dass Frauen aus eigener Kraft etwas anstrebten, das normalerweise ein Männerprivileg ist (nur 1 % aller Immobilien weltweit gehören Frauen), Genossenschaftswohnungen sind in der Öffentlichkeit ziemlich unbekannt als eine dritte Möglichkeit zwischen Wohnungseigentum und Mietwohnung.

Zuerst wurde 1995 der Verein FrauenWohnen gegründet, 1998 die Genossenschaft, zu der inzwischen über 240 Mitfrauen gehören, die entweder in eins der Objekte einziehen wollen oder diese als Solidaranlegerinnen ideell und materiell unterstützen.

Ein Haus fällt nicht vom Baum

Nach langem Suchen hat die Frauengenossenschaft in München nun zwei Objekte. Das eine liegt im Westend, einem alten Wohnbezirk, der mit viel Liebe und Phantasie saniert wird. Hier möchte FrauenWohnen einen schönen Altbau retten und im Hof dahinter, der noch entkernt werden muss, neu bauen. Da das Grundstück der Landeshauptstadt München gehört, die das gesamte Areal neu beplanen will, verzögert sich der Baubeginn. Doch mit großer Ausdauer halten die künftigen Bewohnerinnen (alle Wohnungen sind schon vergeben, es gibt eine Warteliste) an ihrem Ziel fest, vielleicht 2007 einzuziehen.

In der Messestadt Riem, wo gerade der erste Spatenstich gefeiert wurde, geht es schneller. FrauenWohnen hat das Grundstück von der Landeshauptstadt München gekauft und errichtet dort nun 50 Wohneinheiten, von denen 28 gefördert, die anderen freifinanziert sind. Der Einzug soll Sommer 2006 erfolgen.

Zeichnung: Architekturbüro Zwischenräume, Aussicht: Projekt München-Riem

Die 2-5 geschossigen Gebäude bilden ein Karree und werden durch Laubengänge um einen grünen Innenhof erschlossen. Auf diese Weise wird schon von der Architektur her Nachbarschaftlichkeit ermöglicht. Doch auch dem Bedürfnis nach Individualität und Rückzugsmöglichkeiten trägt die Planung Rechnung: Jede Wohnung hat nach außen ihren privaten Balkon oder kleinen Garten. Die gesamte Anlage ist barrierefrei und altengenrecht nach DIN 18025. Das Ultraniedrigenergiehaus erreicht Passivhausstandard.

Es gibt eine Gästewohnung, einen Gemeinschaftsraum, eine Werkstatt und einen Waschkeller. Die Büroeinheit (110 qm Gesamtfläche) ist beliebig unterteilbar und verfügt über Küche und Sanitäranlage. Hier können Freiberuflerinnen Büro- und Praxisräume mieten. Da der Park der BUGA 2005 mit Badesee unmittelbar vor der Haustür liegt, nehmen die Frauen die 20 Minuten Fahrtzeit in die Innenstadt gerne in Kauf.

Von selber wird das kaum

Bauen kostet Geld. Das Bauvorhaben in Riem hat ein Volumen von gut 7,5 Millionen Euro. Diese werden aufgebracht durch Eigenkapital der Genossenschaft und durch Kredite. Zinsen und Tilgung sind in der späteren Kostenmiete enthalten.

Ein Jahr vor Einzug sind 213 aller Wohnungen belegt. Wenn eine Mitfrau eine Wohnung mieten will, muss sie entsprechend ihrem Einkommen und der Wohnungsgröße im Voraus einen Eigenkapitalbeitrag bezahlen, der zwischen 400 und 870 Euro pro qm Wohnfläche liegt. Auch für eine geförderte Wohnung (für eine Person 45 qm) ist also mindestens ein Eigenkapitalanteil von 18.000 Euro aufzubringen. Die Stadt München bewilligt einen Wohnberechtigungsschein für eine geförderte Wohnung nach relativ strengen Maßstäben, so dass Frauenwohnen vielen Interessentinnen absagen musste. Bis zum Einzug werden aber hoffentlich alle Wohnungen belegt sein.

Wir haben einen Traum

Unser Traum ist nicht nur das Haus, sondern eine lebendige Gemeinschaft. Einige der künftigen Bewohnerinnen kennen sich schon seit Jahren, die neuen, die dazukommen, wollen/sollen sich in die Gruppe integrieren. So unterschiedlich wie die Voraussetzungen – alte und junge Frauen, mehr oder weniger finanzstarke, Frauen mit oder ohne Kinder, mit Partnerin oder Mann (doch, auch Männer dürfen zusammen mit einer Frau einziehen) oder als Single – so unterschiedlich sind die Bedürfnisse. Diese kennen und respektieren zu lernen und mit den möglicherweise auftretenden Konflikten fertig zu werden ist, eine Aufgabe der regelmäßigen Bewohnerinnentreffen, die mit der Konkretisierung des Projekts intensiver werden, u. a. durch den Einsatz einer professionellen Moderatorin.

Ermunterung und eine kleine finanzielle Unterstützung bekam das Vorhaben von Frauenwohnen in Riem, als es im Mai 2005 als Modellprojekt für ExWoSt (Experimenteller Wohnungs- und Städtebau), ein Forschungsprojekt des Bundesbauministeriums ausgewählt wurde.

Barbara Yurtdas ist Vorstandsfrau der Genossenschaft FrauenWohnen in München und begleitet das Projekt schon seit vielen Jahren.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 12(2005), Hamburg