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Artikel Wohnprojekte für besondere Zielgruppen

Hamburger-Wohn-Pflege-Gemeinschaften

Es geht voran!

*** von Ulrike Petersen ***

Noch werden die meisten älteren Menschen so lange wie möglich zu Hause betreut und gepflegt – in erster Linie von Ehepartnern oder Kindern. Ambulante Pflege, Tagespflege und Besuchsdienste unterstützen das private Umfeld. Doch der demographische und soziale Wandel führt dazu, dass familiäre Netze zusehends instabiler werden. Den Hamburger Prognosen zufolge nimmt die Zahl allein lebender Menschen mit Pflegebedarf weiter zu. Ein besonderes Augenmerk liegt schon jetzt auf Menschen mit Demenz; absehbar ist, dass ältere Männer und Menschen anderer Kulturen in den nächsten Jahren stärker auf Unterstützung angewiesen sein werden.

Um Unterversorgung der Betroffenen und Überforderung ihres privaten Umfeldes zu vermeiden, sind abgestufte Wohn- und Versorgungsformen gefragt, dort, wo die Menschen ihren Lebensmittelpunkt haben, im Quartier, im Stadtteil: Vielfältige Infrastruktur und Dienstleistungen zur Erhaltung der Selbstständigkeit, des eigenen Haushaltsist, überschaubare Wohnformen „vor der Haustür“.

Im Trend: Wohn-Pflege-Gemeinschaften

Das Konzept der „ambulant betreuten Wohngemeinschaften“ ist ein Beispiel für die Innovation der Wohn- und Versorgungsstrukturen. Gruppenorientierte Projekte mit Quartiersbezug, die den Alltag der pflegebedürftigen Menschen in den Mittelpunkt stellen, treten in Hamburg seit einigen Jahren vermehrt auf den Plan: vorrangig für Menschen mit Demenz, neuerdings aber auch für Menschen mit somatisch bedingtem Pflegebedarf oder psychischen Krankheiten, für Menschen aus anderen Kulturräumen, älter gewordene Menschen mit Behinderung, zum Beispiel bei Down Syndrom.

23 Pflege-WGs bieten – verteilt über Hamburg – bereits jetzt eine konkrete Alternative, wenn es zu Hause nicht mehr geht, noch mal so viele befinden sich in Planung.

Als neue Angebotsform sind Wohngemeinschaften fester Bestandteil der pflegerischen Versorgungsplanung in Hamburg. Ihr Aufbau wird seit einigen Jahren gefördert: Für den Um- und Neubau stehen den Investoren bzw. Wohnungsunternehmen von Seiten der Sozial- und Baubehörde investive Fördermöglichkeiten zur Verfügung, sofern sie den fachlichen Anforderungen entsprechen. Die Initiatoren, die Mieter bzw. deren Angehörige werden von der Planung bis hin zu Fragen der Alltagsgestaltung von der Koordinationsstelle und deren Fachnetzwerk beraten. Nachdem seit dem 1.1.2010 das Hamburgische Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz (HmbWBG) in Kraft ist und damit das alte Bundesheimgesetz ad acta gelegt werden kann, sind auch die gesetzlichen Grundlagen für Wohngemeinschaften in Hamburg klar geregelt. Unabhängig davon, ob es sich um WGs in Selbst- oder Trägerverantwortung, um ambulante oder stationäre Formen handelt, das neue Gesetz fördert die Vielfalt der Konzepte, fördert kleinräumige Angebote mit Stadteilbezug und stärkt die Selbstbestimmung und Teilhabe derjenigen, die in den Wohn-Pflege-Formen leben.

Zukunftsfähige Wohn-Pflege-Formen und Sozialraumentwicklung

Mit der Weiterentwicklung der Wohn- und Versorgungsstrukturen im Kontext von Kommunalpolitik, Stadt(teil)entwicklung und Wohnungswirtschaft hat sich am 28. Juni 2010 der diesjährige Fachtag der Hamburger Koordinationsstelle auseinander gesetzt.

Unter dem Titel „Altwerden im Quartier“ wurden den etwa 150 Teilnehmern, die von Flensburg bis München angereist waren, sozialraumorientierte Strategien, Konzepte und Projekte aus Hamburg und anderen Bundesländern vorgestellt.

Selbstbestimmung, Teilhabe und eine verlässliche Unterstützung in vertrauter Umgebung zählen zu den wichtigsten Bedürfnissen im Alter – dies war Konsens aller Vorträge. Weiter wohnen wie bisher oder umziehen… angesichts der heterogenen Lebensstile im Alter können beide Optionen nur mit integrierter Stadtteilplanung und der Förderung bürgerschaftlichen Engagements und Generationen übergreifender Nachbarschaften ermöglicht werden. Deutlich wurde aber auch, welche Anstrengungen und Kreativität nötig sind, um angesichts der knapper werdenden finanziellen und personellen Ressourcen innovative Gestaltungsprozesse im Quartier in Gang zu bringen.

Ulrike Petersen ist Gerontologin und arbeitet in der Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften.

Informationen

In der Koordinationsstelle erhalten Sie Beratung und Informationen über Wohn-Pflege-Gemeinschaften in Hamburg. Der Norddeutsche Newsletter und das Norddeutsche Journal für Wohn-Pflege-Gemeinschaften, Tagungsdokumentationen und aktuelle Veranstaltungshinweise stehen auf der Internetseite zur Verfügung.

Die Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften gibt eine kostenlose Inforeihe heraus, die bei der Koordinationsstelle erhältlich sind. Bisher sind erschienen:

  • Info 1: Grundlageninfo zur Koordinationsstelle und Wohn-Pflege-Gemeinschaften
  • Info 2: Aktuelle Übersicht der Wohn-Pflege-Gemeinschaften-Projekte mit Ansprechpartnern
  • Info 3: Übersicht über von den Wohn-Pflege-Gemeinschaften beauftragte Pflegedienste

Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften Internet: www.stattbau-hamburg.de

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 17(2010), Hamburg