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Artikel Wohnprojekte Hamburg

in Planung : Gießkannen und Eisblumen

*** von Sabine Stövesand ***

Der Hafenrand von St.Pauli – Hafenkulisse, Tourismusmagnet und Ort jahrzehntelanger Auseinandersetzungen darum, wem die Stadt gehört und wie sie aussehen soll. Das „Parkhaus“ am Pinnasberg ist Teil dieser Geschichte.

Haus am Park

Eine breite Koalition aus AnwohnerInnen, StadtteilaktivistInnen, Pastoren, KünstlerInnen und Gewerbetreibenden setzt sich seit Beginn der 90er Jahr dafür ein, zwischen St. Pauli-Kirchengrundstück und Hafenrandstraße einen kleinen Stadtteilpark zu erkämpfen. Wir wollten nicht hinnehmen, dass das letzte Stück freier Elbblick in St. Pauli-Süd privatisiert, der letzte Ort zum Durchatmen in diesem dicht bebauen und stark belasteten Stadtteil zerstört würde. Aber die Forderung „100% Park für St.Pauli“, Grünstreifen statt Betonriegel am Elbufer, blieb leider eine Park-„Fiction“. Das ist die schlechte Nachricht.

Die gute lautet: Der Park kommt trotzdem: von AnwohnerInnen geplant und selbst gestaltet, allerdings kleiner als gewünscht. Die Restfläche ist für ein neues Wohnprojekt am Hafenrand vorgesehen – für das „Parkhaus“ eben. Als Haus am Park soll es eine architektonische und inhaltliche Anbindung an den Park und dessen Entwicklungsprozeß erhalten.

Mittendrin am Planen

Die Anhandgabe des Grundstücks durch die Finanzbehörde ist bereits erfolgt. Bauträger wird die Genossenschaft St. Pauli Hafenstraße sein. Einen Architekten haben wir ebenfalls: Joachim Reinig von Plan R aus St.Georg. Wenn alles gut läuft, könnte das „Parkhaus“ im Frühjahr 2001 bezugsfertig sein.

Bevor der Traum Wirklichkeit werden kann, braucht es (mindestens) noch zwei Dinge:

Erstens Geld. Weil im Parkhaus Leute wohnen sollen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind oder nur ein kleines Einkommen haben, aber gleichzeitig pro Nase ca. 20.000 DM Eigenkapital fällig werden, haben wir ein Finanzierungsproblem. Geld von wohlmeinenden SympathisantInnen ist bitter nötig: als Spende, Kredit oder eingezahlter Genossenschaftsanteil. Eine Einladung zum Feiern auf die noch zu bauende Dachterrasse mit Elbblick ist natürlich das mindeste, was wir, abgesehen von niedrigster Verzinsung, anbieten können,

Zweitens MitbewohnerInnen. Wir suchen noch InteressentInnen, die (möglichst) §-5-Schein-fähig sind, trotzdem über Eigengeld (oder finanzstarke Verwandte, Bekannte) verfügen und Lust auf viel Gruppendynamik, Pläne schmieden und Träume verwirklichen haben. Kinder sind besonders erwünscht.

Bunt wie St. Pauli

Zur Zeit sind wir 20 Personen und können gut noch mal so viele werden. Wir haben den Anspruch, für ganz unterschiedliche Menschen – junge und alte, FußgängerInnen, RollstuhlfahrerInnen, Singles, Alleinerziehende, Wohngemeinschaften und Familien – selbstverwalteten Wohnraum zu bauen. So unterschiedlich wie unser Alter, zwischen einem und 63 Jahren, sind auch unsere Biographien. Im Gegensatz zu vielen anderen Wohnprojektgruppen kannten sich die meisten vorher nicht. Wir wollen auch nicht ein so homogener mittelalterlicher Mittelklassehaufen sein. Allerdings machen wir die Erfahrung, dass die Finanzierung und die Fähigkeit, die, sagen wir mal, lebendigen Gruppenprozesse mitzugestalten und auszuhalten, doch Grenzen setzen.

Von Gießkannen und Eisblumen

An unseren Planungstagen schlagen Phantasien (gießkannenförmiges Haus, das den Park bewässert) und Befürchtungen (Eisblumen auf den Kontaktlinsen, weil wir uns leider für ein Niedrigenergiehaus entschieden haben) hohe Wellen. Wir erzählen uns Geschichten davon, wie wir als Kinder wohnen wollten (Schloß, klaro oder auch unterm Wohnzimmertisch) und zeigen uns gegenseitig peinliche bis rührende Jugendfotos. Ich finde diese Begegnungen sehr beglückend – dieser Reichtum an Talenten und Erfahrungen, all die Möglichkeiten, die sich auftun.

Darauf freue ich mich

So viele Bücher und CDs, die zwischen uns rotieren könnten. So viele, Leute, mit denen ich am Park nebenan gärtnern kann, die vielleicht auch gerne singen, mit denen ich gegen Militarisierung und Kriegspolitik was unternehme, mit denen ich feiern und alt werden kann. Ja ja, wahrscheinlich kann ich sie erst mal nicht mehr sehen, wenn das Haus nach vielen Streitereien endlich bezogen, meine Lieblings-CD verschlampt ist und sie mich auf den Hausversammlungen nerven.

Was ich will, ist die Chance, ein Stück Utopie verwirklichen, Individualismus und Gemeinsamkeit nicht als unauflöslichen Gegensatz zu erleben, ein Haus für alle Lebenslagen und ein Zeichen in Zeiten der zunehmenden Spaltungen zwischen arm – reich, jung – alt, behindert – nichtbehindert, Singles – Familie, MigrantInnen – Deutsche. Darauf freue ich mich.

Sabine Stövesand ist Mitarbeiterin der GWA St.Pauli-Süd und Gründungsmitglied des „Parkhaus“

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 4(1999), Hamburg