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Artikel Wohnprojekte Hamburg

Jung und Alt mittendrin

Max-B – Endlich fertig!

*** von Rosemarie Oltmann ***

Endlich ist es soweit! In diesen Tagen ziehen alle neuen BewohnerInnen in die Max-Brauer-Allee zweihunderteinunddreißig, zweihundertdreiunddreißig, zweihundertfünfunddreißig, zweihundertsiebenunddreißig, zweihundertneununddreißig, zweihunderteinundvierzig, zweihundertdreiundvierzig, zweihundertfünfundvierzig und zweihundertsiebenundvierzig.

Einhundertvier Wohnungen, vier Praxen, zwei Büros und ein Café in neun Häusern mit einem Innenhof werden mit Leben gefüllt. Viele Kinder und viele Erwachsene, jung und alt, groß und klein, Menschen mit Behinderung und vielleicht das eine oder andere (kleine) Tier freuen sich auf ihr neues Zuhause mitten in der Stadt, zwischen Eimsbüttel und Altona, in der Nähe des Schanzenviertels.

Der Anfang

Jahrelang wurde das Grundstück an dieser großen Straße genutzt von einem Autohändler und in dem vorhandenen Gebäude war der Musikclub „KIR“. Ideal könnte man meinen. Wen störten die Autos… ist die Straße doch eh viel befahren. Wen störte die Musik… ist doch eh keine wirkliche Nachbarschaft gegeben. Und außerdem… zum Kreuzpunkt der Stresemannstraße quert über eine Hochbrücke der gesamte Zugverkehr nach Altona. Güterzüge am Tage und in der Nacht, S- und Fernbahn von morgens früh bis spät in die Nacht. Großstadtgeräusche.

Kaum jemand glaubte, dass an diesem Standort, an der viel befahrenen Wegstrecke von Altona nach Eppendorf einmal neun bunte Häuser stehen werden, in denen frau/man/kind wohnen und sich an diesem Standort wohl fühlen werden.

Die Stadt hatte entschieden, das Grundstück zu verkaufen. Wohnen im hinteren Bereich und Arbeiten an der Straßenfront, sollte hier ermöglicht werden. Heere Ziele. Iris Neitmann, begeistert von der Idee gerade auch an diesem Standort Wohnen und Arbeiten entstehen zu lassen, war fortan nicht mehr von diesem Gedanken abzubringen. Kontakte zu Jung und Alt. Gruppen gab es genug. Kontakte zu STATTBAU. Das Grundstück musste entwickelt werden.

Das Konzept: Neun Häuser teilen sich die Außenanlagen im Innenhof

Die Idee bekam ein Gesicht

Iris Neitmann fertigte erste Skizzen und Zeichnungen einer möglichen Aufteilung dieses Areals an. Für den hinteren Bereich waren die Gruppen schnell gefunden, für Haus eins, zwei, drei und sieben. Doch wer wollte zur Straße hin Geschäftsräume bauen? Ideen und Kontakte zum potentiellen Kleingewerbe gab es genug, doch Gewerbe bauen wollten nur wenige.

Also doch Wohnen direkt an der Max-Brauer-Allee?! Wer konnte es sich vorstellen, dort zu wohnen? Wohngemeinschaft Jung und Alt e.V., ein unerschöpfliches Potential für gemeinschaftliches Wohnen, der gemeinnützige Träger Leben mit Behinderung und mutige junge Menschen, füllten so nach und nach auch die Häuser an der Straßenfront.

Ungezählte Stunden der Auseinandersetzung bis zum Bezug

Eigentumswohnungen, Mietwohnungen und Gewerberäume, Realteilung des Grundstücks oder ideelle Teilung, Finanzierungen der einzelnen Wohnungen mit und ohne öffentliche Förderung, öffentliche Förderung für die Mietwohnungen und Belegungskriterien, tausend Themen. Wer baut, wer baut dann doch nicht und steigt wieder aus. Die Wohnungsbaugenossenschaft Schanze baut fünfzig Mietwohnungen, doch mit welcher Förderung? STATTBAU nein, nicht jedes Projekt wird sich durch STATTBAU betreuen lassen. Trennung zur rechten Zeit. Die Privatbau übernimmt die Betreuung einzelner Häuser und des Gemeinschaftsbereiches. Die Zeit vergeht… und die Zeit vergeht. Es war eben doch kein Selbstgänger, BewohnerInnen für die Straßenfront zu finden.

Wie soll die Teilungserklärung aussehen? Vor allem die Nutzungsordnung für das Gemeinschaftseigentum? Musikinstrumente müssen ab 22 Uhr schweigen …, Geräte sind stets auf Zimmerlautstärke einzustellen …, Haustiere sind in den Gemeinschaftsbereichen anzuleinen … und Grillen mit Holzkohle auf Balkonen und Terrassen … ist nicht gestattet. Flüsterasphalt. Macht es Spaß „Keine Macht für Niemand“ auf Zimmerlautstärke zu hören???? Die Vorwegnahme des Lebens im Miteinander.

Der Bau beginnt

Die Marathonsitzung beim Notar für die Unterzeichnung des Kaufvertrages und der Teilungserklärung. Noch letzte Fragen während der Lesung, bevor alles mit der Unterschrift für immer und ewig(?) unterzeichnet wird. Der Kaufvertrag ist unterschrieben, die Teilungserklärung auch. Jetzt kann es endlich losgehen. Nur noch schnell das Grundstück einzäunen, bevor…, bevor jemand auf dumme Gedanken kommt. Dumme Gedanken… Besetzungen … hat es alles schon gegeben. Oder?

Welcher General-Bauunternehmer wird es sein, der diese neun Häuser bauen wird? Gute Preise selbstverständlich. Zwei Unternehmer bieten die besten Preise und die besten Zeiten. Es wird unheimlich. Doch das ist Geschäft. Alle wollen das Beste, alle schaffen es und alle sind gut. Der Preis entscheidet. Der Vertrag wird unterzeichnet.

Der Bau verändert die Straße Max-Brauer-Allee

Baustelleneinrichtung. Es beginnt mit dem Bau in der Tiefe. Es sollen über neunzig Tiefgaragenplätze im Untergeschoss untergebracht werden. Der Rohbau beginnt, die Gerüste wachsen. Es wird vorstellbarer, dass hier Wohnungen und Gewerbeeinheiten entstehen. Die zukünftigen BewohnerInnen können es kaum abwarten, Einzugstermine genannt zu bekommen. Was passiert im Inneren der Häuser? Alles wirkt plötzlich langsamer. Die Gerüste fallen und die farbigen Fassaden werden frei. Über Farben lässt sich streiten. Die einen sagen, es ist zu bunt oder gar zu rot… die anderen sagen, es gefällt mir, es ist mutig, die Straße kann diese Farben tragen.

Im Inneren der Häuser ist noch lange nicht alles fertig. Termine werden verschoben. Der Druck wächst. „Dabei habe ich doch meine Wohnung schon gekündigt“, was soll ich denn machen? Eine immer wieder gestellte Frage. Die Antwort fällt gewunden aus. Wer will es schon verstehen … Alles auf einmal!

Die Außenanlagen. Soll es eine Linde sein oder ein Spitzahorn, der da inmitten des Innenhofes in Zukunft stehen soll? Linden machen im Sommer zu viel Dreck, der Ahorn auch. Dabei sind es doch nur die Läuse, die diesen Dreck verursachen. Eine Linde riecht aber sehr gut und hat die helleren Blätter. „Ich mag aber lieber den Spitzahorn“. Die Linden ziehen Bienen und Wespen an und das ist eine Gefahr für die Kinder. Ja welcher Baum soll es denn sein? Abstimmung. Die Mehrheit ist für die Linde (Zufallsentscheidung). Aber wird es am Ende tatsächlich die Linde sein? Im Herbst wird es sich zeigen! Bis dahin wird es noch eine Trägersitzung geben, auf der die Wahl des Baumes bestimmt noch einmal thematisiert wird.

Fünf Jahre Planung und Bau gehen zu Ende

Jetzt ziehen sie ein, die Damen und die Herren und die Kinder, so nach und nach. Die hinteren Häuser eins, zwei und drei können als erstes bezogen werden. Eine Logistik des Einziehens wird aufgestellt. Durch die Tiefgarage oder mit dem Karren, alles ist erlaubt, nur nicht mit dem Fahrzeug bis vor die Haustüre, denn die Wege im Innenhof bleiben der Feuerwehr vorbehalten. Welch Erschwernis.

Aber auch diese Umstände halten niemanden davon ab, jetzt endlich… endlich die schöne neue Wohnung zu beziehen, egal ob eine Eigentums- oder Mietwohnung.

Und die Schanze…

… hat mit dieser Baumaßnahme ihr größtes Bauvorhaben umgesetzt. 50 Mietwohnungen, ihr bisher größter Zugang an Wohnungen auf einem Grundstück in vier von den neun Häusern. Ein Haus für Jung und Familien und Alt, ein Haus für Jung, ein Haus für den Träger Nussknacker und ein Haus für den Träger Leben mit Behinderung. Vier Häuser inmitten weiterer fünf Häuser mit Eigentumswohnungen und einzelnen Gewerbeeinheiten. Vier Häuser eingebunden in eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Für die Schanze ist es ein neuer Weg, Teil einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu sein und damit eine Herausforderung besonderer Art.

Rosemarie Oltmann ist Mitarbeiterin der STATTBAU HAMBURG und im Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Schanze eG. 

Max-B

Die Trägergemeinschaft „Max-B/Arbeiten, Wohnen & Kultur GbR“ hat das Grundstück im August 2004 erworben.

Sie besteht aus 9 Hausgemeinschaften mit insgesamt etwa 225 BewohnerInnen jeden Alters.

Jede der 9 Hausgemeinschaften hat individuelle inhaltliche Schwerpunkte, z. B.:

  • Wohnen für Jung und Alt
  • Leben mit Behinderung
  • Wohnen und Arbeiten

Seit Gründung wurden alle Entscheidungen in Versammlungen mit VertreterInnen der Hausgemeinschaften getroffen.

Die neue Bebauung umfasst etwa 11.000 qm Bruttogeschossfläche. Energieversorgung, Erschließungsleitungen und Tiefgarage wurden gemeinschaftlich geplant.

BauherrIn: Max-B Arbeiten, Wohnen & Kultur GbR

Architektin: Arch. BDAao Iris Neitmann Hamburg, Tel.040/44 08 85

Nutzung: 54 Eigentumswohnungen, teilweise öffentlich gefördert 51 Mietwohnungen, öffentlich gefördert 4 Praxen, 2 Büros, 1 Café Gesamtnutzfläche: 8.276 qm

Planung/ Bauzeit: 2001–2006

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 13(2006), Hamburg