Kleinräumige Wohn-Pflege-Formen unter dem Blickwinkel einer Neuen Wohngemeinnützigkeit
*** von Maike Mahlstedt und Mascha Stubenvoll ***
Wenn (ältere) Menschen pflegebedürftig werden oder an einer Demenz erkranken und keinen eigenständigen Haushalt mehr führen können, sind sie häufig auf eine Gruppenversorgung angewiesen. Dabei ist es vielen Betroffenen wichtig Versorgungsangebote zu nutzen, die „kleinräumig“ sind – also keine Atmosphäre einer stationären Einrichtung haben – und die einen Verbleib im gewohnten Quartier ermöglichen, trotz Veränderung der Wohnbedürfnisse.
Die Umsetzung solcher (Mehrpersonen-)Wohnungen werden im Rahmen des regulären Wohnungsbaus nicht automatisch mitgeplant, da diese Wohnformen besondere Grundrisse erfordern. Neben mehreren Einzelzimmern mit angeschlossenem Badezimmern werden in der Wohnung Flächen für eine gemeinschaftliche Versorgung und den Aufenthalt als Gruppe benötigt.
Diese Menschen mit Unterstützungsbedarf brauchen daher (Wohnungs)Unternehmen, die Bauen unter sozialen Aspekten in den Fokus stellen und in der Regel eine (Wohn)Gemeinnützigkeit in der Satzung ihres Unternehmens festgeschrieben haben. In Hamburg sind dies häufig Genossenschaften und Stiftungen. In Hamburg gibt es spezielle Förderungen für kleinräumige, quartiersorientierte Wohn- und Versorgungsformen von der IFB und der Sozialbehörde, so dass die Bauherr*innen solcher Projekte diese mit Hilfe von investiver und nicht investiver Förderung1 umsetzen können. Die Mieten orientieren sich dann für mehrere Jahrzehnte an den Regelsätzen für Wohngeld. Dies ist sinnvoll, denn neben den Wohnkosten kommen in Wohn-Pflege-Angeboten vor allem die Kosten für die Pflege und Betreuung zum Tragen. Gerade Menschen mit niedrigen Einkommen und nicht auskömmlichen Renten sind darauf angewiesen. Und trotz der Subventionen können die Gesamtkosten bei einer längeren Wohndauer zu der Notwendigkeit führen, Transferleistungen zu beantragen, wenn das Einkommen aus Rentenzahlungen nicht ausreicht und das ggf. angesparte Vermögen aufgebraucht ist.
Die KO-Stelle unterstützt seit 2006 in der Planung und Umsetzung von kleinräumigen Wohn- und Versorgungsformen. Für den Themenschwerpunkt der Freihaus haben wir uns die Frage gestellt, welche Merkmale kleinräumiger Wohn-Pflege-Formen finden sich in den Ansätzen der Neuen Wohngemeinnützigkeit wieder? Folgende Punkte passen aus unserer Sicht gut zusammen:
- Die Neue Wohngemeinnützigkeit will ermöglichen, dass Menschen mit einem Pflege- und/oder Assistenzbedarf aufgrund ihres Bedarfes an speziellem, bspw. barrierefreiem Wohnraum als eine am Wohnungsmarkt benachteiligte Gruppe gelten. Sie erhalten mit der Umsetzung passender Wohnmöglichkeiten die Gelegenheit trotz Unterstützungsbedarf in kleinräumig, quartiersnahen Wohn-Pflege-Formen zu leben.
- Eine Vielzahl unterschiedlicher Wohnformen tragen aufgrund sich daraus ergebender unterschiedlicher Mieterschaften zu sozial durchmischten Quartieren bei. Dies ist auch Teil der Forderungen von Neuer Wohngemeinnützigkeit.
- Die Neue Wohngemeinnützigkeit zielt auf Unternehmen ab, die bezahlbaren Wohnraum schaffen, und damit als Teil der Daseinsvorsorge für einen breitere „Angebotspalette“ sorgen.
Fazit: ja, das passt!
In Hamburg wurden bislang ca. 45 kleinräumige Wohn-Pflegeformen für unterschiedliche Zielgruppen umgesetzt. Beispielhaft sei hier ein Projekt benannt, dass in Kooperation einer Baugenossenschaft und eines sozialen Trägers der Altenhilfe mehrere Wohn-Pflege-Angebote an einem Standort umgesetzt hat. In diesem Projekt leben neun Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind in einer Wohn-Pflege-Gemeinschaft. In einer weiteren Wohn-Pflege-Gemeinschaft leben vier Personen, die einen somatischen (körperlichen) Pflegebedarf haben. Dazu kommt noch eine sogenannte Pflegewohnung auf Zeit, in der Menschen mit einem Pflege- oder Betreuungsbedarf temporär wohnen und betreut werden können.
Kann so eine Wohn-Pflege-Form schon jetzt als Teil einer Neuen Wohngemeinnützigkeit gezählt werden?
Ein wesentlicher Aspekt, der dem widerspricht, ist die Forderung nach dem dauerhaften Erhalt preiswerten Wohnraums. Die mit der Förderung einhergehende Festsetzung der Miethöhen fallen nach Auslaufen des Förderzeitraums weg. Für die meisten Wohn-Pflege-Projekte geschieht das nach 30 Jahren. Offen ist bisher, wie sich dann die Mietpreise der Projekte entwickeln, da noch kein Wohnprojekt so lange auf dem Markt ist. Mit Auslauf der Förderkriterien fällt dann auch die Nutzungsbindung für die Wohnungen weg, so dass die Wohnungseigentümer*innen auch in diesem Bereich das Angebot umgestalten könnten, um „besserverdienende“ Zielgruppen anzusprechen.
Aktuell stellt sich für die kleinräumigen Wohn-Pflege-Formen aber die Frage, ob diese aufgrund des starken Preisanstieg in der ambulanten Pflege und aufgrund des Fachkräftemangels überhaupt fortbestehen können. Hier könnte die Wohngemeinnützigkeit zumindest helfen, um preiswerte Mieten langfristig zu garantieren und ggf. neue Kooperationen in der pflegerischen Versorgung zu ermöglichen.
Maike Mahlstedt und Mascha Stubenvoll sind die Mitarbeiterinnen der Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften. Zum Auftrag der KO-Stelle gehört es den Ausbau von Wohn-Pflegeformen für (ältere) Menschen mit einem Pflege- oder Assistenzbedarf voranzutreiben, unter anderem durch Beratung und Begleitung von Initiator*innen und Investor*innen bei der Planung und Umsetzung entsprechender Projekte.
Hamburger WG-Studie 2022 erscheint in Kürze
Die Bestandsaufnahme zur Lage der Wohn-Pflege-Ge¬meinschaften fußt auf einer Online-Befragung der Vermieter, Pflegedienste, An- und Zugehörige der Hamburger Projekte. Sie enthält zahlreiche Daten zu den projektspezifischen Rahmenbedingungen, Praxiserfahrungen sowie wertvolle Hinweise zur Weiterentwicklung dieser Wohn- und Versorgungsform. Der Ergebnisbericht steht ab Mitte November auf der Website der Koordinationsstelle zum Download bereit (Zur Webseite).
zuerst veröffentlicht: FREIHAUS 27(2023), Hamburg