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Maro Temm – Eine Genossenschaft der Sinti

*** von Klaus Joachim Reinig ***

„Maro Temm“ ist Romanes und bedeutet auf Deutsch „Unser Land“ oder auch „Unser Platz“. Dies drückt die Hoffnung von 13 Kieler Sinti-Familien aus, einen eigenen Platz zu finden, wo sie unter Wahrung ihrer Kultur gemeinsam wohnen können. Unter dem Dach einer Genossenschaft soll diese Hoffnung in Form einer Selbstbausiedlung Wirklichkeit werden.

Die deutschen Sintis leben schon seit vielen hundert Jahren in Deutschland. Die Überlebenden des Holocaust haben sich in Kiel in einem Landesverband der deutschen Sinti und Roma Schleswig-Holstein organisiert. Für Sinti- und Roma-Familien tritt in den letzten Jahren verschärft das Problem einer unzureichenden Wohnsituation auf. Insbesondere die Verteilung der Wohnungen über die verschiedenen Stadtteile und im Geschosswohnungsbau führt zu zahlreichen Konflikten. Die deutschen Sinti und Roma leben in traditionellen Familienverbänden, die sich gegenseitig besuchen und unterstützen. Dies führt in Nachbarschaften mit Nicht-Sinti und Nicht-Roma zu erheblichen Störungen. Die Sinti und Roma sind von hoher Arbeitslosigkeit betroffen, die Ausbildung der Jugendlichen ist schlecht, oft haben sie keine Berufsausbildung. 70–80% der Haushalte sind auf Sozialhilfe angewiesen. Hier sind aktive Nachbarschaften gefragt, die sich gegenseitige Unterstützung auch in den kleinen Dingen des Alltags geben können.

Wohnungsbau von und für Sinti

In einer Machbarkeitsstudie, die vom Innenministerium Schleswig-Holstein gefördert wurde, hat Joachim Reinig vorgeschlagen, eine Genossenschaft der Sinti zu gründen und die Häuser im öffentlich geförderten Wohnungsbau als Selbstbauhäuser zu realisieren. Die arbeitslosen Sinti-Jugendlichen und arbeitslose erwachsene Männer und Frauen sollen so Basisqualifikationen erhalten und Vertrauen in ihre eigene Kraft aufbauen, indem sie die Häuser für ihre Familien selbst bauen. Die Genossenschaft ist als Dachgenossenschaft organisiert, so dass auch in anderen Orten genossenschaftliche Nachbarschaften von Sinti aufgebaut werden können. Erstmals wird so Wohnungsbau nicht für Sinti, sondern von Sinti betrieben.

Unterstützung auf breiter Basis

Das Konzept hat in Schleswig-Holstein breite Unterstützung gefunden: der Landtagspräsident Herr Arens, die Minderheitenbeauftragte Renate Schnack, der Innenminister Buß und viele örtliche Politiker aller Fraktionen helfen bei der Realisierung – auch gegen manche Widerstände im Stadtteil. Die Stadt Kiel hat ein Grundstück und ein Kommunaldarlehen bereitgestellt, die Investitionsbank gibt die öffentlichen Darlehen. Eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme unterstützt die Selbsthelfer.

Die Genossenschaft wurde im Dezember 2003 gegründet, zahlreiche Unterstützer sind Mitglied geworden, darunter auch Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass. Reiner Schendel von STATTBAU HAMBURG hat die wirtschaftliche Betreuung übernommen. Die Genossenschaft benötigt etwa 100.000 € Eigenkapital – zusätzlich zu den etwa 170.000 €, die über die Eigenleistung von den rund zwanzig Selbsthelfern beim Bauen erbracht werden können. Das Projekt soll 2005 realisiert werden, der Bauantrag wird noch dieses Jahr eingereicht.

Joachim Reinig ist der Verfasser der Machbarkeitsstudie und Architekt des Projektes.  

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 11(2004), Hamburg