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Netzwerkagentur GenerationenWohnen Berlin

*** von Horst Pfander ***

Seit April 2008 gibt es auch in Berlin eine Netzwerkagentur zur Beratung, Bündelung und Vernetzung von Baugemeinschaften. STATTBAU Berlin (nicht verwandt oder verschwägert mit STATTBAU HAMBURG) hat die Aufgaben der Netzwerkagentur übernommen. Hier ein Bericht über die Aufgaben.

In den meisten Regionen Deutschlands, so auch in Berlin, ist mit einer stagnierenden oder rückläufigen Bevölkerungsentwicklung, verbunden mit einer Erhöhung des durchschnittlichen Alters zu rechnen. Allerdings wird die Zahl der Haushalte in den nächsten Jahren eher wachsen als abnehmen. Dies ist im Wesentlichen auf die Zunahme von Singlehaushalten zurückzuführen. Auch wird sich die Entwicklung regional wie zwischen verschiedenen Stadtteilen stark unterscheiden. So gibt es zunehmend junge Familien und Schwellenhaushalte, die gerne innerstädtisch wohnen würden. Die Stadt mit ihrer Nähe zur Kultur, Einkaufsmöglichkeiten und sozialer Infrastruktur bietet dafür einen attraktiven Standort. Voraussetzung ist, dass ausreichend großer und bezahlbarer Wohnraum in einem den Bedürfnissen angemessenen Wohnumfeld zur Verfügung steht. Aufgabe der Wohnungswirtschaft wie auch der Politik ist es sich diesen veränderten Bedingungen zu stellen und entsprechende Angebote zu schaffen, die ein selbständiges und selbst organisiertes Wohnen fördern und unterstützen.

Der demografische Wandel wird auch in Berlin stattfinden

Das difu (Deutsches Institut für Urbanistik) wurde vom Land Berlin mit einer Untersuchung beauftragt, die Rahmenbedingungen und künftigen Entwicklungen für Berlin in Bezug auf Demografie und Wohnungsmarkt zu untersuchen. Im Oktober 2007 wurde der Endbericht erstellt und die Einrichtung einer „Netzwerkagentur Generationenübergreifendes Wohnen“ vorgeschlagen, da ein übergreifender Ansatz in Berlin für selbstbestimmte Wohnformen unterschiedlicher Nachfragergruppen bisher nicht existierte.

Die Aufgaben der Netzwerkagentur

„Die Netzwerkagentur generationenübergreifendes Wohnen ist ein weiterer Baustein unserer erfolgreichen Politik zur Stärkung der inneren Stadt als attraktiver Wohnstandort für Jung und Alt in guter sozialer Nachbarschaft“, erklärte die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Frau Junge-Reyer anläßlich der Einrichtung der Agentur im April diesen Jahres durch die STATTBAU GmbH, Berlin. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels stellen wir gleichzeitig fest, dass sich immer mehr Menschen für gemeinschaftliche Wohnformen, wechselseitige Unterstützung zwischen den Generationen beim Wohnen oder für Möglichkeiten der altersgerechten Wohnungsanpassung interessieren. Generationsübergreifendes Wohnen ist kein neues Phänomen; allerdings sind die damit verbundenen Vorstellungen sehr unterschiedlich.

Die Agentur verfügt weder über einen eigenen Immobilienbestand noch entscheidet sie über die Vergabe von Grundstücken bzw. Wohnungen. Vielmehr informiert und berät sie Einzelinteressenten, Wohngruppen, Baugemeinschaften, Vermieter und Investoren in Angelegenheiten des generationsübergreifenden Wohnens zur Miete und im Eigentum und möchte zur Vernetzung des in der Stadt vorhandenen vielschichtigen und reichhaltigen Expertenwissens beitragen.

Die Agentur bietet Beratung auf verschiedenen Ebenen

Die Leistungen der Agentur werden mit öffentlichen Mitteln gefördert und sind kostenlos für Interessierte. Allerdings ist die Beratungstiefe auf eine „Erst- und Einstiegsberatung“ begrenzt: Interessierte erhalten somit Grundinformationen zum generationenübergreifenden Wohnen sowie Kontakte zu interessierten Einzelpersonen, Bau- und Wohngruppen, Wohnungs- oder Grundstücksanbietern und Beratern. Wir erbringen keine Baubetreuungs-, Ingenieur-, und ähnliche objektkonkrete und kostenpflichtige Einzelberatungsleistungen. Stattdessen stellen wir als Netzwerker Kontakte zu entsprechenden Stellen bzw. Personen her. In diesem Zusammenhang sind wir zur Wettbewerbsneutralität verpflichtet.

Die Beratungsleistungen umfassen baufachliche Beratungsinhalte bezüglich städtebaulicher und bautechnischer Fragestellungen, rechtlich-organisatorische Inhalte hinsichtlich Vor- und Nachteilen bestimmter Rechtsformen und Fragen in Bezug auf Finanzierung und Wirtschaftlichkeit gemeinschaftlicher Wohnprojekte.

Zu nahezu jedem Beratungsmodul haben wir spezifische Unterlagen und Materialien erstellt sowie Checklisten entwickelt, die Interessenten zur Verfügung gestellt werden können. Architekten, Projektsteuerer und andere Fachplaner können mittels einer standardisierten Erhebung ihr Büro und Referenzprojekte darstellen.

Vernetzung

Im Rahmen des Leistungsschwerpunktes Vernetzung von am gemeinschaftlichen Wohnen Interessierten bieten wir fachlichen Erfahrungsaustausch und Expertenforen an, präsentieren Praxisbeispiele und geben regelmäßig einen Newsletter heraus.

Wer fragt die Angebote nach und was rät die Netzwerkagentur? Vier Beispiele

  1. Eine Dame, 59, frühpensioniert, ehemalige Krankenschwester, wohnt im Umland in Eigentumswohnung; möchte zurück in die Stadt, gemeinschaftlich wohnen und leben; bietet Hilfe bei Pflege; sucht Gemeinschaft und Anschluss für spätere Zeiten Wir vermitteln an bestehende oder im Aufbau befindliche Projekte
  2. Eine Gruppe, 120 Interessenten, will gemeinschaftlich, ökologisch und generationenübergreifend bauen, im Eigentum und genossenschaftlich organisiert Wir beraten in finanzieller, organisatorischer und baulicher Hinsicht
  3. Baugruppe, hat Interesse an einem Grundstück des Liegenschaftsfonds Berlins (LFB), will gemeinschaftlich und ökologisch bauen, will an Ausschreibung teilnehmen Wir beraten zu baulichen Fragen und vermitteln Kontakte zu Baugruppen
  4. Alleinerziehende mit 2 Kindern, Interesse an gemeinschaftlichem Wohnen mit entsprechenden Freiflächen, möchte innerstädtisch in ökologisch saniertem Altbau zur Miete wohnen Wir bemühen uns um Kontakte zu Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften

Aufgrund unserer bisher gemachten Erfahrungen sucht der überwiegende Teil von Einzelpersonen die sich an uns wenden nach Angeboten zur Miete und weniger nach Eigentumsmodellen. Dabei spielt der Aspekt des generationenübergreifenden Wohnens in der Regel nicht die entscheidende Rolle. Viel wichtiger ist dagegen das Interesse an gemeinschaftlichen Wohnformen in bestimmten Lagen zu erschwinglichen finanziellen Konditionen. Dem Bedarf steht nach unserem bisherigen Kenntnisstand ein eher geringes Angebot der Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften gegenüber.

Der Zugang zu Baugruppengrundstücken ist in Berlin auch nicht leicht

Mit der Vermarktung seiner Grundstücke hat das Land Berlin den LFB GmbH & Co KG, dessen alleiniger Gesellschafter das Land ist, beauftragt. Die Vergabe erfolgt dabei in der Regel im Bieterverfahren, also an den jeweiligen Höchstbietenden.

Im Rahmen seiner Strategie zur Vermeidung von Abwanderungen ins Umland von Berlin hatte der Berliner Senats bereits im Dezember 2007 den Verkauf landeseigener Grundstücke an Baugruppen zu einem Festpreis, dem Verkehrswert, beschlossen. Die Bekanntgabe eines Testportfolios von 4 Grundstücken als erste Tranche erfolgte im Juli 2008 mit einem engen Terminplan. Für die Vergabe wurde ein zweistufiges Ausschreibungsverfahren beschlossen.

Wir beraten Gruppen, die sich für die ausgeschriebenen Grundstücke beim LFB bewerben wettbewerbsneutral. An der Entscheidung über die Vergabe sind wir nicht beteiligt.

Eine öffentliche Förderung der Baugruppen – entweder in Bezug auf den Kaufpreis des Grundstücks oder hinsichtlich Finanzierung oder Baukostenzuschüssen – wird es in Berlin nicht geben. Dennoch sind an die Vergabe der Grundstücke bestimmte Auflagen gebunden. So ist neben einer hauptsächlichen Wohnnutzung auch die Eigennutzung des Wohnraums vorgeschrieben. So können die Baugruppen-Grundstücke nicht von einer juristischen Person übernommen werden. Als Ausnahme wurde nur eine Vergabe an eigentumsorientierte Genossenschaften zugelassen. Des Weiteren müssen die Mitglieder der Baugruppe eine gesamtschuldnerische Haftung für den Kaufpreis übernehmen.

Veranstaltungen und Info-Café

Ab September 2008 planen wir den Betrieb eines „Info-Cafés“ in dem sich am Thema gemeinschaftliches Wohnen Interessierte und Baugruppen treffen können. Zusätzlich werden Informationsveranstal tungen zu spezifischen Themenbereichen durchgeführt. Auf der Internetseite von STATTBAU wird unter Aktuelles u. a. auf entsprechende Veranstaltungen hingewiesen. Unter „Arbeitsfeldern“ finden sich weitere Informationen zur Netzwerkagentur sowie Projektbeispiele und interessante links. Hier kann auch der Newsletter bestellt werden.

Horst Pfander arbeitet bei STATTBAU Berlin und ist Mitglied im Team der Netzwerkagentur.

Kontakt

Netzwerkagentur GenerationenWohnen

Telefon: 030-690 81-777

Email: beratungsstelle@STATTBAU.de

www.STATTBAU.de

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 15(2008), Hamburg