Kategorien
Artikel Wohnungspolitik

Neue Ideen werden gebraucht!

Wohnungspolitik in der Sackgasse

*** von Joachim Reinig ***

Es ist nicht mehr zu übersehen: Die Lage auf dem Wohnungsmarkt in den Städten verschärft sich – und alle sind ratlos.

Die Situation ist jedoch die Konsequenz einer verfehlten Wohnungspolitik, die auf den freien Markt vertraute und dachte, mit einem Ankurbeln der Wohnungsproduktion seien die Probleme zu lösen.

Im Gegenteil: Der Anteil an subventionierten Sozialwohnungen wird immer geringer, die Bindungen betragen höchstens 25 Jahre. Wer in Deutschland Mieter*in ist, hat ein viel höheres Risiko in der Armut zu landen als ein/e Wohnungseigentümer*in. Mieter*innen müssen lebenslang steigende Mieten bezahlen.

Der Zugang zu bezahlbaren Wohnungen ist insbesondere für Auszubildende und junge Familien äußerst schwer – Kinder drängen sich in viel zu engen Wohnungen. Oft liegen die auch noch so abseitig, dass ein Auto oder lange Fahrzeiten zur Arbeit nötig sind.

Die Regierungen reagieren eher defensiv: Der Mietenspiegel ist ein ‚Mieterhöhungsspiegel‘, weil er nur die letzten Neuvermietungen berücksichtigt. Die Modernisierungszuschläge werden nur mäßig auf 8% reduziert und erhöhen ebenfalls deutlich die Miete. Die Mietpreisdämpfung versagt – es ist eher symbolische Politik, die von den Parteien geliefert wird.

Hamburg ist zu fast 80% eine Mieterstadt geworden oder – um es anders auszudrücken – eine Investorenstadt der Wohnungsunternehmen, der privaten Wohnungsbaugesellschaften und – im besten Fall – der Genossenschaften. Der private Hausbesitzer, typisch noch für die Gründerzeit, ist Hamburg verloren gegangen.

Eine Mieterstadt ist solange gut, wie die Mieten übersichtlich bleiben – früher war das einmal ein Wochenlohn für die Miete. Heute reicht der Mindestlohn nicht fürs Leben in Hamburg. Viele, die eine neue Wohnung beziehen müssen, zahlen über 40% ihres Einkommens für die Wohnungsmiete.

WAS TUN? ERSTENS: SICHERUNG PREISGÜNSTIGEN WOHNRAUMS

Zunächst muß in einer Mieterstadt der Bestand an Sozialwohnungen dauerhaft gesichert werden. Die öffentlichen Gelder dürfen nicht mehr in temporäre Mietsubventionen gehen, die städtischen, gemeinnützigen und genossenschaftlichen Unternehmen müssen stattdessen mit Objektförderung dauerhaft günstigen Wohnraum anbieten. Diese Unternehmen haben eine besondere Verantwortung für den Wohnungsmarkt und sollten bevorzugt mit Grundstücken für den Neubau versorgt werden. Als Bestandshalter sind mäßige Mieterhöhungen nicht ausgeschlossen, aber sie dürfen nicht mit Wohnungen handeln und spekulieren.

WAS TUN? ZWEITENS: MEHR EIGENTUM FÜR FAMILIEN UND NON-PROFIT HOUSING!

Zum anderen denke ich, dass wir in Hamburg die Diskussion um eine erhebliche Vergrößerung des Eigentumsanteils an Wohnungen brauchen. Nur so lassen sich die Belastungen für die Nutzer auf Dauer stabil halten und die Renten werden auskömmlich, wenn die Wohnung abbezahlt ist.

Zu Eigentum zähle ich dabei ausschließlich das eigene Haus, die selbstgenutzte Eigentumswohnung oder auch die eigene Genossenschaftswohnung, in der keine Miete, sondern eine Nutzungsgebühr bezahlt wird.

Wenn die Kredite für den Hausbau abbezahlt sind, kann die Miete sogar sinken – so wie es bei den ersten Wohnprojekten in Hamburg inzwischen der Fall ist.

Besonders jungen Familien sollte der frühe Weg ins Eigentum erleichtert werden. Wer Wohneigentum hat, entwickelt eine andere Ökonomie: Das Einkommen geht mehr in die eigene Immobilie und weniger in den Konsum. Es wird mehr Verantwortung für Haus und Umgebung übernommen und das Leben wird leicht, wenn das Haus abbezahlt ist.

Schon im Jahr 2000 stellte das Forschungsunternehmen Empirica zum Hamburger Wohnungsmarkt fest: „Der Städte- und Wohnungsbau der letzten 50 Jahre krankt daran, dass die klassischen Bauherren an Bedeutung verloren haben. Große Teile des Wohnungsbaus wurden von Gremien beschlossen und verantwortet. Nur so erklärt sich, dass in längeren Phasen große Projekte als unempirische Prinzipienplanungen realisiert werden konnten, die heute wenig Akzeptanz finden. Künftiges Planen und Bauen sollte stärker von den Nachfragern ausgehen und deren Rolle stärken.“

Wenn diese Selbstnutzer*innen bauen oder bauen lassen, bekommt auch eine verdichtete Stadt ein Gesicht. Die Nachbar*innen sind bekannt, bevor die Baugrube entsteht. Auf diese Art und Weise werden Bürger*innen zu Akteuren – und Hamburg kann wieder zu einer ‚Stadt der Bürger‘ werden. Die Erfahrungen mit Baugemeinschaften in Hamburg in den letzten 30 Jahren zeigen den Weg. Sie müssen von der Wohnungspolitik aus ihrer Nische befreit werden.

Die Parteien sind aufgefordert eine ernsthafte Wende herbeizuführen zum „non-profit housing“, damit das Leben in der Stadt für alle gut und bezahlbar wird. 

Joachim Reinig ist Architekt, hat die Gründung von STATTBAU Hamburg mit initiiert und setzt sich seit vielen Jahren für Wohnprojekte und Baugemeinschaften ein.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 23(2018), Hamburg