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Artikel Stadtentwicklung Wohnungspolitik

Neue Regierung – neues Glück!?

Welche wohnungspolitischen Ziele sind im Koalitionsvertrag
vom April 2015 enthalten?

*** von Tobias Behrens ***

Die neue Regierung hat nach der Wahl im Februar im April 2015 einen Koalitionsvertrag geschlossen, der die Grundlage für die Arbeit in der Hamburger Bürgerschaft für die Legislaturperiode von 2015 bis 2019 darstellen soll. Zu den Themen Wohnen und Stadtentwicklung sind interessante Aussagen enthalten, die wir den FreiHaus Lesern gern vorstellen möchten.

1. VORDRINGLICH WOHNUNGSUCHENDE

In dem Koalitionsvertrag ist an verschiedenen Stellen auf die schwierige Situation für vordringlich Wohnungsuchende eingegangen worden. Unter der Überschrift: „Sofortprogramm zur Versorgung von vordringlich Wohnungsuchenden“ wurden verschiedene Aussagen und Vorschläge gemacht, wie das Thema angegangen werden soll.1)

Unter anderem soll zu diesem Thema ein runder Tisch eingerichtet werden. Der Runde Tisch knüpft mit seiner Arbeit an eine Arbeitsgruppe an, die – als Untergruppe des Bündnisses für das Wohnen – schon in der letzten Legislaturperiode Vorschläge zu diesem Thema entwickelt hat. Damals waren neben BSU und BASFI auch STATTBAU HAMBURG, Lawaetz GmbH, Diakonie sowie die wohnungswirtschaftlichen Verbände in der AG dabei. Diese Arbeitsgruppe wird jetzt um Sozialverbände, die bezirklichen Fachstellen, die Senatskanzlei sowie ausgewählte Bauträger und Stiftungen erweitert.

Außerdem sollen weitere Kooperationsverträge mit den Genossenschaften abgeschlossen werden, die das Ziel haben, das jährliche Abschmelzen der Bindungen zu verhindern. Der Koalitionsvertrag regt weiter an, dass die städtische Wohnungsgesellschaft SAGA/GWG zusätzlich den Anteil von Wohnungen, der für vordringlich Wohnungsuchende jährlich zur Verfügung gestellt wird, von derzeit 1.700 auf 1.900 Wohneinheiten erhöht.

Darüber hinaus wird die Idee verfolgt auch Stiftungen und ähnliche Bauherren zu motivieren, Wohnungen für diese Zielgruppe zu bauen. Dazu heißt es: „Mindestens 200 WA gebundene Wohnungen im Jahr sollen über Genossenschaften, soziale Stiftungen und soziale Träger wie beispielsweise auch fördern und wohnen errichtet werden. Sie sollen hierfür Grundstücke zur Verfügung gestellt werden und Finanzierungshilfen erhalten, damit Eigenkapitalschwäche der Träger nicht als Hindernis auftritt“. Dabei sollen flexible Konzepte die Versorgung mit Wohnraum für bestimmte Zielgruppen … verbessern.“

Wenn diese Aussage ernst gemeint ist, muss es kurzfristig für die genannten Bauherren verbesserte Förderbedingungen geben. Zurzeit ist es allerdings so, dass sich kleinere Träger und Stiftungen, die in Hamburg zahlreich vertreten sind und bereit wären, Wohnungen für vordringlich Wohnungsuchende zu bauen, aufgrund der hohen Baukosten und der damit zusammenhängenden Eigenkapitalanforderung nicht in der Lage sehen, Bauvorhaben selbständig umzusetzen. Auch die an anderer Stelle erwähnte Bereitstellung von Bürgschaften hilft nicht weiter, weil es tatsächlich an zusätzlichem Eigengeld mangelt, um die Bauvorhaben umzusetzen. Aus Sicht von STATTBAU HAMBURG ist es notwendig, dass hier die zuständige Fachbehörde mit einem Eigenkapitalersatzprogramm in die „Bresche“ springt, um diese Probleme zu lösen. Ziel muss es sein, endlich für diese speziellen Zielgruppen im Rahmen der ca 2.000 geförderten Wohnungen mehr Wohnungen zu errichten. Darüber hinaus werden vielfach Grundstücke im Ausschreibungsverfahren vergeben, bei denen auch der Aufwand für die Bearbeitung einer Bewerbung für viele Träger zu hoch ist.

So hat sich bereits im Jahr 2001 die Genossenschaft Schlüsselbund gegründet, die überwiegend aus Trägern der Behinderten- und Eingliederungshilfe zusammengesetzt ist und ausschließlich Wohnungen für vordringlich Wohnungssuchende aus diesen Zielgruppen errichten möchte. Allerdings hat diese Genossenschaft bisher noch kein einziges Grundstück von der Stadt erhalten, um ihre Ziele umzusetzen.

Um den Bedarf an Wohnungen für diese Zielgruppen befriedigen zu können, ist es nicht nur nötig, ein passgenaues Förderprogramm zu entwickeln, sondern auch eine Grundstückspolitik zu betreiben, die es diesen Trägern ermöglicht, Bauvorhaben umzusetzen. Dabei geht es insbesondere um kleine, überschaubare Grundstücke, die für die Realisierung solcher Wohnprojekte geeignet sind. Es bleibt abzuwarten wie die Aussage „Sie sollen hierfür Grundstücke zur Verfügung gestellt bekommen“ umgesetzt werden wird.

2. BAUGEMEINSCHAFTEN

Auch das Thema Baugemeinschaften ist in dem Koalitionsvertrag ausführlich beschrieben. Es wird erneut betont, wie auch in vielen vorhergehenden Regierungserklärungen, dass der Senat weiterhin Baugemeinschaften fördern und ihnen dafür städtische Grundstücke zur Verfügung stellen will. Weiter hießt es konkret: „Die Hälfte der Baugemeinschaftsgrundstücke soll möglichst an kleinere Genossenschaften vergeben werden. Wir werden die Bau- und Förderbedingungen beispielsweise bei den Eigenkapitalanforderungen so anpassen, dass kleine Genossenschaften zusammen auch mit sozialen Trägern bauen können. Integration von Menschen mit Behinderungen und Einkommensmischung ist das Ziel bei Baugemeinschaften in genossenschaftlichem und individuellem Eigentum“.

Auch um dieses Ziel, das nach unserer Ansicht unterstützungswürdig ist, zu erreichen, ist es notwendig, die Förderbedingungen und die Grundstücksvergabebedingungen zu verändern. So müsste es gezielte Grundstücksausschreibungen oder Grundstücksangebote geben (auch im Direktvergabeverfahren), die es den Trägern ermöglicht, sich mit ihren Möglichkeiten zu bewerben. Auch hier sind die zurzeit vorhandenen Förderbedingungen (Förderrichtlinie Neubauwohnungen oder Besondere Wohnformen) unzureichend. Grund dafür sind die hohen Eigenkapitalanforderungen, die es den Trägern unmöglich machen, sich erfolgreich um Grundstücke zu bewerben bzw. geplante Bauvorhaben dann umzusetzen.

3. ALTE WOHNPROJEKTE (ABB PROJEKTE)

Ein weiteres Kapitel in dem Koalitionsvertrag beschäftigt sich mit dem Thema genossenschaftliches Bauen, Wohnprojekte und Mietergenossenschaften. Hier verpflichten sich die Koalitionäre: „Wir wollen Genossenschaften stärken. Wir wollen den Erfolg der vorwiegend selbstverwalteten Wohnprojekte und Mietergenossenschaften aus den vergangenen Jahrzehnten sichern. Ein Verkauf kommt nur an Träger in Frage, die die Gewähr dafür bieten, dass die sozialen Stadtentwicklungsund wohnungspolitischen Ziele weiter verfolgt werden und die Selbstverwaltung wie in der Vergangenheit gewährleisten.“ Damit gehen die Koalitionäre auf einen Konflikt ein, der sich am Ende der letzten Legislaturperiode gezeigt hat.

Es geht hier um die sog. alternativen Baubetreuungsprojekte (ABB Projekte), die in den 80er, 90er und Anfang der 2000er Jahre in Hamburg umgesetzt wurden. Insgesamt handelt es sich hierbei um ca. 50 Projekte, die in unterschiedlicher Eigentumsform umgesetzt wurden. Viele Projekte wurden mit der Wohnungsgenossenschaft Schanze e.G. oder auch mit anderen Kleingenossenschaften umgesetzt. Bei einer Reihe von Projekten ist die Stadt Hamburg aber Eigentümer geblieben und es hat Pachtmodelle gegeben, die z. T. von der Lawaetz Service GmbH verwaltet wurden. Hier kam zum Ende der Legislaturperiode das Gerücht auf, dass diese Projekte an die SAGA/GWG verkauft werden sollten. Bei einigen größeren Verkaufsaktionen der Stadt an die SAGA/GWG ist dies bereits geschehen, so sind die Projekte Wilde Mathilde und Villa Magdalena jetzt Mieter bei der SAGA/GWG.

Allerdings ist es nicht zu einem Verkauf aller Projekte gekommen, weil es vielfachen Protest gegen dieses Vorgehen gab. In den letzten Wochen und Monaten ist dies Thema in der Öffentlichkeit nochmal kommuniziert worden und es bleibt zu hoffen, dass sich die Koalitionäre an diese Aussagen halten und die Selbstverwaltung der Projekte bestehen bleibt. Dies unter dem Dach der SAGA/GWG zu tun, kommt nicht nur den Projekten, sondern auch allen damals beteiligten Baubetreuern, als undenkbar vor und wir hoffen, dass eine Lösung in Form eines Stiftungs- oder eines anderen Pachtmodells gefunden wird.

Zwei Beispielprojekte aus dem alternativen Baubetreuungsprogramm (ABB)

Das ABB Wohnprojekt „Villa Magdalena“ (oben) in der Bernstorffstrasse ist schon vor einigen Jahren von der Stadt an die SAGA verkauft worden, ohne das die Bewohnerinnen oder der Verwalter (die Lawaetz Service GmbH) das wussten. „ Bereits 1997 sind wir an die SAGA verkauft worden – und keiner hat‘s gemerkt, nicht einmal die SAGA selbst“ sagt die Bewohnerin Karin Kröll (zitiert aus: „jetzt mäht die SAGA den Rasen“, Zeit online vom 14.7.2015)

Auch das ABB Projekt „Wilde Mathilde“ (unten) wurde im Rahmen des Verkaufs aller Wohnungen des Sanierungsgebiet Karolinenviertel an die SAGA verkauft. Zur Zeit laufen die Gespräch des Projekts mit der SAGA, ob das Gebäude von den Bewohner zurückgekauft werden kann. Die Bürgerschaftsdrucksache (DS 20/5022), mit der der Verkauf der Wohnungen an die SAGA beschlossen wurde, läßt diese Möglichkeit für neue Mietergenossenschaften ausdrücklich zu.

4. SONSTIGE THEMEN

Auch zum allgemeinen Wohnungsbau sind in dem Vertrag Aussagen zu finden. Es wird wieder die Zahl von 2.000 geförderten Wohnungen in dem Vertrag mit aufgenommen, die ab 2015 jährlich errichtet werden sollen. Tatsächlich ist diese Zahl im Jahr 2014 überschritten worden. Insgesamt wurden nach dem Bericht der Investitions- und Förderbank Hamburg (IFB) 2014 über 2.300 Wohnungen gefördert.

Von diesem festgesetzten Ziel der 2.000 zu errichtenden Wohnungen, soll allein die SAGA/GWG 1.000 Wohnungen bauen und der Anteil von vordringlich Wohnungsuchenden dabei erhöht werden.

Ob diese Zahl nicht zuletzt wegen der dramatisch steigenden Zahl von Flüchtlingen, die nach einer Zeit in Erstaufnahmeeinrichtungen und öffentlich rechtlicher Unterbringung irgendwann einmal auch in Wohnungen ziehen sollen, nicht viel zu gering ist, muss die Wohnungspolitik der Stadt zügig klären. Insofern wird es unumgänglich werden, zumindest die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ziele umzusetzen. Dies ist nicht selbstverständlich. In der Präambel des Bündnis für das Wohnen hieß es: „Die Versorgung von vordringlich Wohnungsuchenden mit Wohnraum ist eine prioritäre gesamtstädtische Aufgabe.“ (Zitiert aus der Präambel des Bündnis für das Wohnen in Hamburg, vom 20.9.2011). Dieses Ziel wurde in der letzten Legislaturperiode nicht erreicht. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Regierung ihre selbst gesetzten Ziele diesmal umsetzt.

1) Alle Zitate aus: „Zusammen schaffen wir das moderne Hamburg. Koalitionsvertrag über die Zusammenarbeit in der 21. Legislaturperiode der Hamburgischen Bürgerschaft…“ [SPD-Hamburg]
www.hamburg.de/contentblob/4479010/data/download-koalitionsvertrag-2015.pdf

Tobias Behrens ist Geschäftsführer der STATTBAU HAMBURG, und hat in 2014 in einer Untergruppe des Bündnis für das Wohnen gemeinsam mit der BSU, der BASFI und anderen Vorschläge entwickelt, wie die Wohnraumversorgung für vordringlich Wohnungssuchende verbessert werden kann. In 2015 wird diese AG als „Runder Tisch“ gemäß Koalitionsvertrag fortgeführt.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 21(2015), Hamburg