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Artikel Wohnungspolitik

Neues aus der Agentur

Umstrukturierungen in der Agentur für Baugemeinschaften

*** von Tobias Behrens ***

Nach vielen Monaten interner Diskussionen über neue Aufgabenverteilungen wurden kurz vor Verabschiedung des neuen schwarz-grünen Koalitionsvertrages bedeutende Veränderungen in der Baubehörde, im Amt für Wohnen, Stadtentwicklung und Bodenordnung (WSB) vorgenommen. Die Aufgaben der Agentur für Baugemeinschaften wurden erheblich reduziert. Sie soll ab jetzt nur noch für die Beschaffung von geeigneten Grundstücken zuständig sein. Die Förderbedingungen werden zukünftig im Grundsatzreferat entwickelt und für die Abstimmungen zwischen Antragsteller (Baugemeinschaft) und Stadt ist die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt (WK) zuständig.

Verbunden mit dieser Neuorientierung war das Ausscheiden von Frank Karthaus aus der Agentur, bzw. dem Amt WSB. Da Frank Karthaus an der Entwicklung von Baugemeinschaften in Hamburg über fast zwei Jahrzehnte lang maßgeblich beteiligt war und viele Projekte bei der Entwicklung durch sein Engagement beförderte, wollen wir an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf sein Wirken machen.

Experte für Genossenschaften

1990 wurde Frank Karthaus als Experte für neue Genossenschaften in die Baubehörde unter Eugen Wagner gerufen, um ein Jahr vor der 1991 anstehenden Bürgerschaftswahl die Gründung der Mietergenossenschaft Farmsen auf Seiten der Behörde zu begleiten. Die Idee hierzu war infolge der Pleite der Neuen Heimat und der Aktivitäten der Mieterinitiative Farmsen entstanden. In der letzen Bürgerschaftssitzung vor der Wahl 1991 wurde die Übertragung von 2.553 Wohneinheiten auf die neu gegründete Mietergenossenschaft von allen damals in der Bürgerschaft vertretenen Parteien beschlossen.

Im damaligen Amt für Wohnungswesen war Frank Karthaus an der Ausgestaltung der Wohnungsbauprogramme beteiligt und hat die Finanzierung neuer genossenschaftlicher Wohnprojekte geprägt. 1995 wechselte er in das damals technisch geprägte Referat Wohnungsbauförderung. Für Frank Karthaus waren die städtebauliche Gestaltung, die Optimierung der Wohngebäude im Sinne der zukünftigen Bewohner und die Reduzierung bzw. Eingrenzung der Baukosten immer sehr wichtig – als Grundvoraussetzung der Förderung von Baugemeinschaften.

Ein Maßanzug für jedes Projekt

Ohne feststehende Förderungsgrundsätze musste damals jedes Projekt bezüglich seiner Finanzierung einzeln entwickelt werden, was mühsam und zeitaufwendig war, aber mit Unterstützung der damaligen Baubehördenleitung (Senator Wagner und Staatsrat Dr. Gustafsson) erstaunliche Resultate hervorbrachte. In dieser Zeit wurden in Hamburg insgesamt 22 neue Genossenschaften gegründet (von 1985 bis 2004 19 Wohnungs- und 3 Mietergenossenschaften), was den Ruf Hamburgs als „Hauptstadt der Wohnprojekte“ begründete. Insgesamt errichteten oder modernisierten diese neuen Wohnungsgenossenschaften bis heute über 4.500 Wohnungen in Hamburg.

Ohne Barwert geht es nicht!

Trotz so mancher Hartnäckigkeit bei der Einhaltung der sogenannten Förderbarwerte, war Frank Karthaus kreativ bei der Suche nach Rechtsformen und Finanzierungsalternativen. Besondere Anliegen waren ihm stets soziale Bindungen, eine gerechte Vergabe der Fördermittel sowie Verbindlichkeit auf allen Seiten.

Anfang 2003 übernahm er die Leitung der in der BSU neu errichteten Agentur für Baugemeinschaften.

Die Absenkung der Wohnungsbauförderung 2003 und das neue Verfahren der Vergabe städtischer Grundstücke im Höchstgebotsverfahren (anstatt für Grundstücke für geförderten Wohnungsbau zum subventionierten Richtwert von 220 Euro pro m2 Wohnfläche), führte zu einer Subventionskürzung von fast 30% und in der Folge zu einem starken Rückgang des geförderten Wohnungsbaus.

Frank Karthaus konnte traditionelle Genossenschaften dafür gewinnen, sich mit dem Thema Baugemeinschaften auseinanderzusetzen. Die Vergabe der Baugemeinschaftsgrundstücke zum Verkehrswert statt zum Höchstgebot trug dazu bei, dass einige traditionelle Genossenschaften für Baugemeinschaften wieder in den geförderten Wohnungsbau einstiegen, aus dem sie sich zuvor zurückgezogen hatten. Inzwischen sind eine Reihe von Kooperationsprojekten in Hamburg umgesetzt worden, acht traditionelle Genossenschaften haben sich daran bisher beteiligt.

Zunahme der Realisierung von Baugemeinschaftsprojekten

In den fünf Jahren, in denen Frank Karthaus die Agentur für Baugemeinschaften geleitet hat, konnten unter der politischen Zielsetzung Wohneigentum zu schaffen, über 30 neue Baugemeinschaften im individuellen Eigentum Grundstücke erhalten, auf denen über 450 Wohnungen gebaut werden können bzw. bereits gebaut wurden und schon bezogen sind. Im genossenschaftlichen Eigentum konnten neun kleine Genossenschaftsprojekte Grundstücke für etwa 140 Wohneinheiten erhalten (bei der Wohnungsbauoffensive II erhielten sie keine Grundstücke). Außerdem haben bzw. werden 14 Projekte, die in Kooperation mit traditionellen Genossenschaften arbeiten, Grundstücke für etwa 430 Wohnungen erhalten (inkl. der Vergabe der Wohnungsbauoffensive II). Damit konnten innerhalb von fünf Jahren mehr Wohnungen für Baugemeinschaften auf den Weg gebracht werden als in den zehn Jahren zuvor. Diese Zahlen zeigen, welche Bedeutung das Engagement der Projektgruppen und die Eigeninitiative auch beim Bauen ab 2003/2004 unter der CDU geführten BSU gewonnen hatte. „Bürger bauen gemeinsam ihre Stadt“ war das Motto für das sich Frank Karthaus trotz mancher Hindernisse im Alltag immer wieder und – wie die Zahlen zeigen – erfolgreich eingesetzt hat.

Frank Karthaus verkörperte das in der Senatsdrucksache zur Agentur für Baugemeinschaften beschriebene Prinzip eines zentralen Ansprechpartners für alle Bauinteressierten und Baugruppen, was ihn zu einem bundesweit anerkannten Experten für Baugemeinschaften machte. Er kannte nicht nur die Verwaltung von innen und entwickelte sich dort zu einem ausgewiesenen Finanzierungsspezialisten, sondern kannte auch die Wohnungswirtschaft und insbesondere die Genossenschaften, da er vor seiner Zeit in Hamburg fast neun Jahre bei der Bielefelder Genossenschaft Freie Scholle für die Entwicklung von besonderen Wohnkonzepten freiberuflich tätig war. Außerdem arbeitete er zusammen mit Prof. Klaus Novy wissenschaftlich zum Thema Genossenschaften und einem bundesweiten Ausstellungsprojekt zu Genossenschaften. Sein Anliegen war es, für gemeinschaftliche Projekte Modelle der Hilfe zur Selbsthilfe zu entwickeln, indem eine genossenschaftliche Solidarfinanzierung aufgebaut wurde.

Sinn der Umstrukturierung?

Die Sinnhaftigkeit der Umstrukturierung der Arbeit der Agentur für Baugemeinschaften erschließt sich uns zur Zeit nicht, denn die Umsetzung von Baugemeinschaften ist ein sehr komplexer Vorgang, bei dem es nicht nur um Einhalten von Baukosten und deren Finanzierung geht. Vielmehr spielen auch Genossenschaftsrecht und Planungskultur, Bodenrecht und Erschließungskonzepte, sowie energetische Themen und Qualitätssicherung eine große Rolle. Die Zuständigkeiten zu all diesen Fragen zwischen Grundsatzreferat WSB, Agentur für Baugemeinschaften und der Wohnungsbaukreditanstalt aufzuteilen, scheint für Praktiker kaum geeignet zu sein, das allgemeine Ziel der Verkürzung von Verwaltungswegen umzusetzen – es widerspricht jedenfalls dem vielfach zitiertem Ziel von Verwaltungshandeln und Kundenorientierung: „Aus einer Hand“.

Wie sich darüber hinaus die vorgenommene Umstrukturierung mit dem im Koalitionsvertrag formulierten Ziel „Die Agentur für Baugemeinschaften soll in ihrer bisherigen Form weiterlaufen und gesichert werden“ verträgt, bleibt ein Geheimnis der BSU. Viel entscheidender ist aber letztlich, ob diese Struktur geeignet ist, die Probleme bei der Umsetzung von Baugemeinschaften in Bezug auf Grundstücksbeschaffung, Finanzierung und Vereinfachung der Projektentwicklung zu lösen.

Alle an Baugemeinschaften Interessierten in Hamburg werden dies mit Spannung verfolgen.

Tobias Behrens ist Geschäftsführer der STATTBAU HAMBURG GmbH.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 15(2008), Hamburg