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Ohne Gruppe kein Wohnprojekt: Die ersten Schritte

Tipps für Interessierte

*** von Josef Bura ***

Unter dieser Rubrik veröffentlicht die Redaktion in loser Folge nützliche Infos für InteressentInnen, die sich überlegen, ein Wohnprojekt zu machen.

Meist rufen Interessierte an

Das Telefon klingelt mal wieder, die Arbeit, die schon lange erledigt sein sollte, wird unterbrochen. Der Kollege von der Zentrale meldet sich: „Da ist eine Frau in der Leitung, die fragt, wie sie am besten in ein Wohnprojekt einsteigen kann. Sie hat gehört, wir würden uns in der Wohnprojekteszene auskennen und sie sucht ein Wohnprojekt möglichst in Ottensen, wo sie und ihr Kind bald einziehen können, denn sie hat Streß mit ihren Nachbarn und ihrem Vermieter. Das ist doch Dein Job.“ Bevor ich erwidern kann, daß es gerade jetzt nicht paßt, hat er aufgelegt und ich eine Gesprächspartnerin am Apparat. „Prost Mahlzeit“, denke ich im ersten Augenblick, noch vertieft in meinen Artikel, an dem ich gerade sitze. Aber dann wird es doch ein interessantes und längeres Gespräch.

Am Anfang gleich eine Ernüchterung

So oder so ähnlich fangen die meisten telefonischen Anfragen von Männern und Frauen an, die sich für andere Wohnformen interessieren. Und sie beginnen im Normalfall mit einer Ernüchterung: Eine direkte Vermittlung in ein Wohnprojekt hinein ist so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Wie beim Lotto-Spielen ist es dennoch auch vorgekommen, daß jemand auf direktem Weg sein Wohnprojekt gefunden hat: Genau zu dem Zeitpunkt ist in dem richtigen Wohnprojekt mit der richtigen Personengruppe, das auch noch im richtigen Stadtteil liegt, eine Wohnung frei geworden, die paßt und die Nachbarn im Hausflur des Projekts hatten händeringend genau die Person gesucht, die sich bei uns gemeldet hat. So was ist Mega-Glück.

Meist muß man/frau viel tun

99,99 Prozent der Lottospieler und Nachfrager nach Wohnprojekten ziehen leider nicht den Hauptgewinn. Sie müssen sich mächtig ins Zeug legen und ihr eigenes Wohnprojekt gründen. Und weil es eigentlich aufregend ist, was Neues zu schaffen, sind sie es , die besonders gefördert werden müssen und die auch Hilfe brauchen. Die ersten Fragen, die sie sich stellen heißt also: Wie komme ich zu meiner Wohngruppe?

Hamburg ist ein gutes Pflaster für Wohnprojekte, jedenfalls gilt das im bundesweiten Vergleich. Denn es gibt einen großen Erfahrungshintergrund bei vielen Trägern und Fachleuten, die wissen, wie es geht. Seit gut einem Jahr haben sich verschiedene Promotoren des Wohngruppengedankens zu einer Arbeitsgruppe FreiHaus zusammengeschlossen, die mehrfach jährlich tagt und versucht, eine Infrastruktur für die Förderung von Wohnprojekten zu entwickeln. Daraus sind verschiedene Initiativen entstanden.

Tipps für einen erfolgreichen Start

Es empfiehlt sich z.B. FreiHaus als Medium zu nutzen, wenn man Interessierte für sucht:

TIPP: einfach Anzeige für die nächste Nummer schreiben und in der Redaktion anrufen. Der beste Ort, wo man/frau Gleichgesinnte finden kann, sind die Wohnprojektetage, die jeweils im Herbst stattfinden.

TIPP: Auf dem Markt der Möglichkeiten kann man sich anmelden und einen Stand machen. Am Meeting-point im Foyer der HWP während der Wohnprojektetage kann jedeR einen Termin ankündigen, wo sich Interessierte spontan treffen können.

Die Grauen Panther Hamburg haben die „Hamburger Infobörse gemeinschaftliches Wohnen“ ins Leben gerufen. Das ist eine Datenbank, die nach dem Prinzip funktioniert:  Fisch sucht Fahrrad, d.h. es können sich Interessierten melden und werden in eine Datenbank aufgenommen. Und so funktionierts:  Z.B. „Alleinerziehender Vater mit zwei Kindern aus Billstedt such andere Alleinerziehende zwecks Gründung eines Wohnprojekts im Hamburger Süd-Osten“.

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Fast in wöchentlichem Rhythmus finden in Hamburg Veranstaltungen zum Thema „anders wohnen“ statt. Viele davon, die es in nächster Zeit in Hamburg gibt, sind in FreiHaus unter der Rubrik Termine und Kontakte aufgeführt. Auch die dort angeführten offenen Beratungsangebote sind wichtige Anlaufstellen.

TIPP: Lesen, anmelden, hingehn. Wer spezielle Wünsche hat, z.B. Wohnen zusammen mit jung und alt, Wohnen mit Alleinerziehenden, Wohnen mit Behinderten, autofrei usw. sollte sich bei Selbsthilfegruppen informierten:

TIPP: Graue Panther, Wohngemeinschaft jung und alt, Verband alleinerziehender Väter und Mütter; KISS Altona, Brambek oder Wandsbek und andere ansprechen, in deren Veröffentlichungen eine Anzeige aufgeben oder selbst eine Interessengruppe gründen.

Und fast hätte ich es ganz vergessen: Zuerst kann es nichts schaden, sich im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis umschauen, ob es nicht auch dort Interessierte gibt. Denn zu zweit oder zu dritt startet es sich viel besser als alleine. Viel Erfolg bei Ausprobieren der Tipps.

Forsetzung folgt

Josef Bura ist Mitarbeiter der STATTBAU HAMBURG

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 3(1998), Hamburg