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MUJEFA – Happy End am Rio de la Plata

*** von Charna Furman ***

Andere Länder, gleiche Themen. Ein Wohnprojekt nur für Frauen in Uruguay, vorgestellt von der Initiatorin und Architektin.

Vor zehn Jahren fing alles an

Alles begann vor 10 Jahren mit der Empfehlung meines Kollegen Jorge di Paula. Er ist Architekt und Leiter der Arbeitsgruppe Wohnungsversorgung in der Architekturfakultät von Montevideo (Uruguay). Sein Vorschlag war es, der dazu führte, daß ich mich der Thematik „Frauen und Wohnen“ gewidmet habe.

Vorher hatte ich die Wichtigkeit des Themas gar nicht verstanden. Doch von dem Zeitpunkt an galt meine Aufmerksamkeit den Menschen, die sich zusammengeschlossen hatten, um ihre Wohnprobleme zu lösen. Und meistens bestand die große Mehrheit dieser Zusammenschlüsse aus Frauen.

Es war 1991 als ich begann, mit Familien zu arbeiten, die ihre Kinder in Horten und Kindergärten des Erziehungsministeriums untergebracht hatten. Durch die Initiative der dort tätigen Psychologin und Sozialarbeiterin entstand unsere Idee, eine Wohnungsbaukooperative nur für Frauen aufzubauen. Am Anfang waren viele dagegen, denn sie meinten, wir würden damit ein „Ghetto“ für Frauen schaffen.

Pilotprojekt für alleinerziehende Frauen:

Die Hauptidee bestand darin, ein Bewußtsein dafür zu schaffen, daß Wohnungen am meisten von Frauen genutzt werden. Da der Alltag von Frauen wegen ihrer Geschlechterrolle hauptsächlich in der Wohnung stattfindet, haben sie auch großes Interesse an einer bezahlbaren und angemessenen Wohnung.

Unsere Initiative hatte sich ein weiteres Ziel gesetzt. Wir wollten sichtbar machen, daß die Haushalte heute nicht mehr aus der traditionellen Familie, d.h. aus Vater, Mutter, zwei und mehr Kindern bestehen. Andere Wohnungsbauprojekte gehen weiterhin von der traditionellen Familie aus. Sie berücksichtigen die neuen statistischen Daten nicht. Denn die Statistik lehrt, daß ein Drittel aller Haushalte von Frauen geführt werden und daß die Hälfte dieser „Frauenhaushalte“ aus einer Frau und ihren Kindern bestehen.

So wurde also MUJEFA geboren. MUJEFA ist die Abkürzung für MUjeres JEfas de FAmilia – Frauen, die „Chef“ ihrer Familie sind.

Selbsthilfe braucht spezielle Förderung

Für die 12 Frauen, die die Wohnungsbaugenossenschaft MUJEFA gegründet haben, um ein Altbauerneuerungsprojekt in Monteviedeo mit Selbsthilfe durchzuführen, wurde es ein langer und schwieriger Prozeß. Die Frauen haben in allen Etappen des Projektes mitgearbeitet und alle Entscheidungen getroffen. Dabei wurden sie durch unser interdisziplinäres Team beraten. In Uruguay ist der genossenschaftliche Wohnungsbau mit Selbsthilfe sehr erfolgreich, sowohl in Bezug auf die architektonischen als auch auf die sozialen Lösungen. Doch für alleinerziehende Frauen erweist sich das System der Selbsthilfe als sehr schwierig. Denn sie müssen nebenher einen Alltag bewältigen, der voller Verantwortlichkeiten und Aufgaben jeglicher Art steckt.

Deswegen versuchen wir gerade, das neue Frauen-Wohnungsbauprojekt in der historischen Altstadt, ENTRELUNAS („Zwischen den Monden“), unter veränderten Bedingungen umzusetzen. Es gibt eine geringeren Selbsthilfeeinsatz in der Bauphase und eine höhere finanzieller Unterstützung.

Politische Veränderungen sind notwendig

Diese Praxisprojekte, die wir im Wohnungsbau unter Berücksichtigung des Geschlechterverhältnisses realisiert haben, sind zu Vorbildern geworden. Sie müssen jetzt Veränderungen in den politischen Entscheidungen in Bezug auf Wohnungsbau und Stadtentwicklung nach sich ziehen. Gesetze sind zu erarbeiten, die benachteiligten Frauen den Zugang zu Wohnraum, den städtischen Dienstleistungen und der städtischen Infrastruktur erleichtern.

Gegenwärtig organisieren wir Workshops für Frauen aus Wohnungsbau-genossenschaften, aus technischen Berufen, Politik und Verwaltung, um gemeinsam mit ihnen Ideen zu neuen gesetzliche Regelungen, Normen und zur Gründung weiterer notwendiger Organisationen auszutauschen und zu diskutieren. Denn die modellhaften Erfahrungen sollen keine Einzelbeispiele bleiben. Alle Frauen, die Familien vorstehen, müssen Zugang zu bezahlbaren sowie ihren Anforderungen und Erwartungen entsprechenden Wohnungen haben.

Nach dem Einzug: Happy End

Während wir professionellen Frauen und Wissenschaftlerinnen in der Konzeption und Initiierung einer veränderten Wohnungsbau- und Siedlungspolitik voranschreiten, sind die „MUJEFAS“ in ihre sanierte Villa in der historischen Altstadt von Montevideo , nicht weit vom Rio de la Plata, eingezogen. Sie sind zufrieden und bemühen sich weiterhin, eine ganzheitliche Lebensqualität zu erreichen. Ihr Kampf für eine sichere und angemessene Wohnung hat sie gelehrt, sich ihre Rechte als Bürgerinnen zu erobern und zu verteidigen.

Wir glauben, daß diese Geschichte ein glückliches Ende gefunden hat.

Charna Furman ist Architektin und Initiatorin des Projektes. Sie arbeitet an der Universidad de la República in Montevideo/Uruguay.

Übersetzung: Kerstin Zillmann

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 3(1998), Hamburg