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Artikel Bodenpolitik/Grundstücke Wohnungspolitik

Pandemie-Folgen: Lastenausgleich zwischen Arm und Reich?

Jede Krise bietet auch Chancen

*** Joachim Reinig ***

Die Corona-Pandemie zeigt deutlich die Gewinner und Verlierer in der Gesellschaft.
Den Versandkonzernen geht es glänzend, der Einzelhandel ist vielerorts existenzbedroht.

Die Coronakrise vertieft die Gräben zwischen Arm und Reich, wie Christoph Butterwegge in seinem neuen Buch belegt. „[…] Ein großer Teil der Deutschen ist gar nicht in der Lage, finanziell auch dann noch über die Runden zu kommen, wenn mal zwei, drei Monate das reguläre Einkommen ausfällt.“ (Ch. Butterwegge, Spiegel Interview 19.9.2020)
Auch in der Wohnraumversorgung zeigt sich die soziale Spaltung: Wer Vermögen hat, z. B. ein finanziertes schuldenfreies Haus oder Eigentumswohnung besitzt, ist abgesichert. Wer Mieter ist, zahlt weiterhin Miete – auch wenn das Einkommen deutlich schrumpft. Der Gesetzgeber hat lediglich den Kündigungsschutz befristet ausgeweitet, aber die Mietschulden müssen beglichen werden. Wegbrechende Einkommen treffen v.a. den Mieter, die Mieterin. Der Vermieter ist durch den Mietvertrag auf der sicheren Seite und bei Kündigung des Mieters hat er angesichts der Marktsituation noch die Möglichkeit der Mieterhöhung bei Neuvermietung.
Eine Stadt wie Hamburg, mit einem Mietwohnungsanteil von 76 %, ist dabei besonders stark betroffen. Auch die Stadt selber, die mit Sozialhilfe auch die Kosten der Unterkunft übernimmt und Mietzahlungen für Wohnungsmieter absichert.
Auch Gewerbetreibende bekommen große Zahlungsprobleme, wenn ihre Einnahmen wegbrechen. Discounter wie Adidas oder Deichmann hatten bereits ihre Mietzahlungen eingestellt und wurden prompt von der Ministerin gerüffelt. Durch die Pandemie entsteht eine große Asymmetrie der Belastungen: Die Vermieter von Wohnungen kommen weitgehend belastungsfrei aus der Pandemie heraus, zumindest soweit ihre Mieter nicht insolvent werden. Die Vermieter von Handels- und Gewerbeimmobilien bekommen große Probleme, wenn ihre Mieter zusammenbrechen. In der Folge können auch die Hypothekenbanken gefährdet sein.
In der Krise werden die strukturellen Probleme besonders scharf sichtbar: Die Zahl der günstigen Sozialwohnungen ist in Deutschland auf knapp 1,2 Mio. geschrumpft (1990 waren es noch 4 Mio.!). Die staatliche Förderung verbunden mit Mietpreis- und Belegungsbindungen wirkt höchstens 30 Jahre und dann fallen die Wohnungen aus der Sozialbindung. Subventionen in Milliardenhöhe haben keinen nachhaltigen Effekt; es wird kein sicherer, dauerhaft preiswerter Bestand, wie z. B. kommunaler Wohnungen aufgebaut.
Das wirkt besonders einschneidend, wenn die Löhne mit der Preisentwicklung beim Wohnen nicht mehr Schritt halten. „Bleibt ein weiterer Lockdown aus, dürfte der Wohnungsmarkt ungeschoren davonkommen und die Trends einfach weiterlaufen“ heißt es im Gutachten der „Immobilienweisen“ (Spiegel 14.9.2020 – gemeint ist das Insitut Empirica) im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) . „Die Mieten […] legen in den meisten Metropolen weiter zu.“
In früheren Krisenzeiten hat der Staat für einen Lastenausgleich gesorgt, sowohl nach dem 1. Weltkrieg (als die Hauseigentümer durch die Inflation ihre Hypotheken los wurden), als auch nach dem 2. Weltkrieg (als die Flüchtlinge ihr Eigentum verloren und versorgt werden mussten mit neuen Wohnungen).

WER TRÄGT DIE ENORMEN KOSTEN DER CORONAKRISE?

Allein der Bund hat mit hohen zusätzlichen Schulden – Kredite von rund 240 Mrd. Euro dieses, und geschätzt 94 Mrd. Euro nächstes Jahr – den Zusammenbruch der Wirtschaft im Lockdown verhindert. Neue Steuern oder harte Sparmaßnahmen werden die Diskussion in den nächsten Jahren bestimmen. Es geht darum, wo gespart wird und wer die Kosten trägt. Um die soziale Spaltung nicht weiter zu verschärfen, sind Abgaben und Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen erforderlich und dies darf Immobilienvermögen nicht ausschließen. Man kann eine Steuer – egal ob man sie „Lastenausgleich Corona“, „Corona-Soli“ oder in Analogie zur „Hauszinssteuer“ Immobiliensteuer nennt – auch so gestalten, dass sie die Bodenwertsteigerungen, die den Bodeneigentümern in Jahrzehnten ­leistungslos zugewachsen sind, abschöpft. Dies kann man ziel­genau, sozial und klimagerecht gestalten, wenn die Politik nur will.
„Wenn die Kosten der Corona Krise weiter wachsen – allein 2020 werden in Hamburg Mindereinnahmen von 4,9 Milliarden Euro erwartet – gilt es nachhaltige und effektive Finanzierungs­vorschläge zu entwickeln, damit bei stagnierenden und sinkenden Einkommen Wohnen nicht unbezahlbar wird. Dabei darf der Klimaschutz nicht auf der Strecke bleiben. Um Klimaschutz und soziales Wohnen zu sichern, wird auch ein Soli der Wohnungswirtschaft notwendig sein“, so Olaf Duge, Wohnungspolitischer Sprecher der Grünen in der Bürgerschaft.
Ein Lastenausgleich kann sehr verschiedene Formen haben, von einer Vermögenssteuer bis zu einem Bodenwertausgleich.
Da die Grundsteuer umlagefähig ist, müssen Regelungen zum Schutz der Mieter getroffen werden – das ist auch auf Landesebene möglich. In den Flächenländern müssen Regionen mit hohem ­Leerstand und stagnierenden Bodenwerten nicht weiter belastet werden. Mit den Mitteln des Lastenausgleichs sollten die struk­turellen Defizite des Wohnungsmarktes ausgeglichen werden, z. B. durch einen Fonds, der gemeinwohlorientierten Wohnungsbau mit Solidarverpflichtungen voranbringt.
Wichtig ist zunächst, dass die Debatte darüber beginnt.Die Hauszinssteuer führte übrigens zu einem Bauboom der ­Genossenschaften in den 20er Jahren. Könnten wir darüber eine neue Gemeinnützigkeit erreichen? Wir wollen schließlich, dass die Welt nach Corona besser dasteht als vorher!

Joachim Reinig ist Architekt.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 25(2020), Hamburg