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Artikel Finanzierung/Förderung Wohnungspolitik

Was zu regeln ist

*** von Josef Bura ***

Dörte D. ist Alleinerziehende und hat ein Kind. Sie kommt in die Wohngruppenberatung und will in eine Baugemeinschaft einsteigen. Das ist kein Problem: Es gibt viele Gruppen in Hamburg, die Mitglieder aufnehmen. Als sie aber nach den Förderbedingungen für ein Projekt ab 2003 fragt, erntet sie nur Achselzucken. Nichts Genaues weiß man nicht. Und das, was man weiß, lässt nichts Gutes erwarten.

Das neue Wohnraumförderungsgesetz des Bundes verpflichtet die Länder, ihre Ausführungsbestimmungen bis zum Januar 2003 anzupassen. Im neuen Recht ist die Förderung von Selbsthilfe im Wohnungsbau ausdrücklich erwähnt. Bundesländer können für innovative Wohnformen flexible Förderbedingungen erlassen. Die Ausgangslage erscheint daher ausnahmsweise günstig. Also alles paletti? Noch nicht.

Die Formulierung von Förderbedingungen ist Ländersache. Jetzt hat die Behörde für Bau und Verkehr Eckwerte zur Diskussion gestellt. Die lassen befürchten, dass es Bau- und Hausgemeinschaften in Zukunft nicht mehr geben wird. Denn sie fallen hinter längst erreichte Standards zurück, die lebensnotwendig für Wohngruppen sind. Ein paar Beispiele:

Einkommensgrenzen müssen flexibel bleiben

Bisher war es möglich, unterschiedliche Einkommensbezieher in geförderten Baugemeinschaften zu haben. Jetzt soll es eine starre Förderobergrenze von ca. 14.000 € Jahreseinkommen (+ 6.000 € für Erwachsene und 4.100 € je Kind) geben. Wer darüber liegt, kann nicht mehr gefördert werden. Einkommensgemischte Baugruppen, die den Charme von Nachbarschaften ausmachen und bisher als besondere Qualität galten, wären damit nicht mehr möglich. Daher muss die alte Flexibilität, die in Hamburg bisher schon Praxis war, wieder herbeigeführt werden.

Eigenkapital darf nicht erhöht werden

In den letzten Jahren wurde für genossenschaftliche Baugemeinschaften das Eigenkapital kontinuierlich abgesenkt: von 15 auf etwa 12 Prozent. Nach dem vorliegenden Entwurf soll das Eigenkapital in Zukunft bei mindestens 20 Prozent liegen. Bei einem Quadratmeterpreis von mindestens 1.800 € wären das 360 €. Für eine 55-Quadratmeter-Wohnung würde ein Eigengeld von 19.800 € fällig. Einengung der Einkommensgrenzen und gleichzeitig Erhöhung des Eigenkapitals wären das Aus für die Zukunft der Bau- und Hausgemeinschaften.

Höhere Grundstückskosten bedeuten noch mehr Eigenkapital

Genossenschaftlich ausgerichtete Baugemeinschaften hatten – wie andere Genossenschaften auch – einen pauschalen Preis für Grundstücke in Höhe von 215 € pro Quadratmeter Wohnfläche zu bezahlen. Jetzt ist dieser Grundstückskostenrichtsatz in Gefahr. Statt dessen ist der viel höhere Verkehrswert in der Diskussion. Alle Kosten für Grundstücke, die über 215 € liegen, sind aber bisher nicht förderfähig. Sie müssen als zusätzliches Eigenkapital aufgebracht werden. Aber welche Baugruppe kann das leisten?

Mehrraumanspruch beibehalten

Nach bisherigem Recht hatten Nutzer, die einen Eigenbeitrag im geförderten Wohnungsbau einbrachten, einen Anspruch auf 10 Quadratmeter mehr Wohnraum als üblich: z. B.: 55 statt 45 Quadratmeter für eine Ein-Personen-Wohnung. In Hamburg war ein ausgeklügeltes System der Wohnungsgrößen entwickelt worden, mit dem Wohngruppen bisher gut leben konnten (vgl. FreiHaus Nr. 6 und im Internet unter www.stattbau-hamburg.de: Tipps für Interessierte). Jetzt gilt dieser Anspruch generell nur noch für Alleinerziehende und junge Familien. Damit entfällt die Attraktivität von Baugemeinschaften für viele. Besonders z.B. für ältere Menschen über 50 Jahre, die frühzeitig vorsorgen wollen. Sie geben z.B. eine große Wohnung oder ein Eigenheim auf, wollen aber nicht auf 45 Quadratmetern alleine oder auf 55 Quadratmetern zu zweit wohnen.

Politik und Verwaltung in Hamburg sind also gefordert, die notwendigen Bedingungen für Bau- und Hausgemeinschaften zu schaffen. Das Bundesgesetz bietet dafür den notwendigen Gestaltungsfreiraum.

Dr. Josef Bura ist Mitarbeiter der STATTBAU HAMBURG GmbH

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 9(2002), Hamburg