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Artikel Bodenpolitik/Grundstücke Wohnungspolitik

Wichtiger als eine Wohngemeinnützigkeit wäre ein bevorzugter Zugang zu Grundstücken

*** von Theo Christiansen ***

Verspricht die Neuauflage der Wohnungsgemein­nützigkeit tatsächlich einen besseren und erfolg­versprechenden Rahmen für den Wohnungsbau für benachteiligte Haushalte als die bereits jetzt geltenden Regelungen zur Gemeinnützigkeit? Für Theo Christiansen von der Behrens-Stiftung hat die Frage des Zugangs zu Grundstücken Priorität.

Seitdem erkennbar wurde, dass auch die ge­steigerte Aktivität im Wohnungsbau der letzten Jahre den Bedarf derer nicht deckt, die auf Mieten deutlich unter 10 Euro/m² angewiesen sind, wird eine Wiederauflage der Wohnungsgemeinnützig­keit debattiert. Von den Bundestagsfraktionen der Grünen und der Linken in die Debatte eingebracht, wurde das Thema in den Koalitionsvertrag der jet­zigen Bundesregierung aufgenommen und be­findet sich aktuell in der Beratungsphase. Grund­lage dafür sind ein von der Bundestagsfraktion der Grünen vorgelegter Gesetzesentwurf sowie ein Antrag der Linken. Diese Initiativen zielen auf zweierlei: Zum einen sollen steuerliche Anreize ge­schaffen werden, um mehr und verlässlich an einen sozialen Zweck gebundenen Wohnraum zu schaf­fen. Zum anderen geht es implizit aber auch darum, im Bereich der Wohnungswirtschaft einen neuen, wirtschaftlich wie politisch relevanten Sektor zu schaffen, der nach anderen Maßstäben agiert und gesteuert wird als der privatwirtschaftliche oder genossenschaftliche.

Auf den ersten Blick erscheint es plausibel, Unternehmen der Wohnungswirtschaft, die eine mietpreisliche Bindung eingehen, dafür steuerliche Anreize zu geben. Hinsichtlich des vorgeschlagenen Instruments, also der Schaffung einer gesetzlich geregelten, an diesem spezifischen Zweck aus­gerichteten Gemeinnützigkeit stellen sich bei ge­nauerem Hinsehen jedoch Fragen, gerade auch aus der Perspektive einer gemeinnützigen Stiftung, die seit 30 Jahren erfolgreich im Wohnungsbau für Menschen tätig ist, die es auf dem sogenannten freien Wohnungsmarkt besonders schwer haben. Im Kern geht es um die Frage, ob die Neuauf­lage einer spezifischen „Wohnungsgemeinnützig­keit“ einen qualitativ besseren und erfolgver­sprechenden Rahmen für einen Wohnungsbau für ärmere oder benachteiligte Haushalte abgibt als der, den es mit den bereits jetzt geltenden Regelun­gen zur Gemeinnützigkeit gibt. Brächte das irgend­einen nennenswerten Vorteil?

Aus unserer Sicht: Nein. Denn jedes Unter­nehmen der Wohnungswirtschaft könnte, wenn es wollte, bereits jetzt seinen Geschäftsbetrieb oder einen Teil davon in eine gemeinnützige Rechtsform überführen und die bestehenden steuerlichen Vor­teile geltend machen. Allerdings würden dann die Regelungen, die das gemeinnützigkeitsrechtliche Steuerprivileg zu dem machen, was es ist, auch un­eingeschränkt gelten. Das wären in diesem Fall ins­besondere der über eine Kostenmietregelung reali­sierte Verzicht auf eine Gewinnabführung in private Hände und die auf Dauer angelegte, also zeitlich nicht befristete Bindung und der damit einher­gehende Vermögensschutz. Das ist – systemisch be­trachtet – als Rahmen für eine öffentlich finanzierte Förderung genauso unverzichtbar wie einsichtig: Warum sollte eine Gesellschaft eine wirtschaft­liche Tätigkeit subventionieren, wenn deren Nut­zen nicht auch uneingeschränkt und dauerhaft dem subventionierten Zweck zugutekommt?

Aus dieser Perspektive betrachtet erscheinen der zur Diskussion stehende Gesetzesentwurf der Grünen aus dem Jahr 2020 und auch das aktu­elle Eckpunktepapier des zuständigen Bundes­ministeriums als eine an wichtigen Punkten ab­gespeckte Variante dessen, was im Kontext der bestehenden Gemeinnützigkeit im Sinne der Ab­gabenordnung bereits gut geregelt ist. So ist im Gesetzentwurf z.B. nicht die Berechnung der Kostenmiete Grundlage der Bemessung der Miet­obergrenze, sondern ein prozentualer Abschlag

Von 10% auf die örtliche Vergleichsmiete. Und wäh­rend sonstige gemeinnützige Unternehmen keiner­lei Ausschüttungen an ihre Kapitalgeber vornehmen können, will der Gesetzesentwurf eine prozentual gedeckelte Sonderregelung für Unternehmen der Wohnungswirtschaft schaffen, die im Rahmen der Vorgaben Wohnraum erstellen. Es entstünde hier also eine neue Mischform halb-profitabler und halb-gemeinnütziger Wohnungsunternehmen. Dies wäre aus unserer Sicht nur dann gerechtfertigt, wenn es keine anderen Möglichkeiten einer steuerlichen Be­günstigung des Wohnungsbaus für im Sinne der Ab­gabenordnung bedürftige Menschen gäbe. Die aber gibt es.

Zudem stellen sich insbesondere zwei wei­tere Fragen. Die erste: Würde die Einführung solch einer „Wohnungsgemeinnützigkeit“, so wie sie kon­kret im Gesetzesentwurf vorgelegt wird, die gro­ßen Probleme auf dem Wohnungsmarkt gerade für einkommensschwache Haushalte lindern oder beheben? Vermutlich nicht wesentlich. Im Rah­men eines Gutachtens, das Dr. Ulrike Hamann, Vor­standsmitglied der Wohnraumversorgung Berlin – AöR, für die Anhörung des Bundestagsausschusses zu diesem Thema erstellt hat, wird konkret er­rechnet, dass bspw. alle Berufe im öffentlichen Dienst ab TV-L 4 wie Polizist*innen, Sekretär*in­nen, Physiotherapeut*innen von einer solchen Re­gelung, wie sie der Gesetzesentwurf vorsieht, nicht profitieren würden. Wenn dies zutrifft, bedeutet das, dass das Gesetz an der Realität der Menschen, die in besonderer Weise unter der Entwicklung auf den Wohnungsmärkten leiden, vorbeigeht.

Noch viel weniger würde es denjenigen Haus­halten helfen, die – wie es oft genannt wird – unter besonderen Marktzugangsschwierigkeiten lei­den, also akut von Wohnungslosigkeit bedrohte oder bereits obdachlos lebende Menschen, sowie Menschen, die ausschließlich von Trans­ferleistungen leben oder meist unter prekären

Verhältnissen im Niedriglohnsektor tätig sind. In der Behrens-Stiftung machen wir die Erfahrung, dass der Wohnungsbau für diese Zielgruppe nur dann möglich ist, wenn uns als gemeinnützigem Unternehmen gezielt und bevorzugt der Zugang zu Grundstücken angeboten und der Bau mit ent­sprechenden öffentlichen Krediten gefördert wird. Für Beides bietet die bestehende Gemeinnützig­keit den erforderlichen, rechtssicheren Rahmen und die Verlässlichkeit der politischen Perspektive, und zwar sowohl für die öffentliche Hand als auch für die Stiftung als Bauherrin.

Die zweite Frage: Selbst wenn das Gesetz Reali­tät würde, wäre kein Unternehmen gezwungen, sich in diesem Rahmen zu bewegen. Warum aber wird solch ein Gesetzesvorhaben vor allem seitens der Wohnungswirtschaft so entschieden abgelehnt? Zu vermuten und mitunter herauszulesen ist, dass sich darin die Furcht spiegelt, in den Auseinander­setzungen um die knappen Ressourcen „Grund­stücke“ und „öffentliche Förderung“ zukünftig be­nachteiligt werden zu können. So wird vermutet – und darin ist der Antrag der Linken deutlich of­fensiver als der Gesetzesvorschlag der Grünen –, dass bei der Umsetzung dieses Gesetzes diejenigen Unternehmen, die sich in diesem Rahmen ent­wickeln wollen, bei der Vergabe öffentlicher Förder­kredite und beim Zugang zu Grundstücken bevor­zugt werden könnten. Dann könnte im Erfolgsfall ein neuer Sektor von Unternehmen entstehen, die allen bereits etablierten Akteuren – den Börsen­notierten bis zu den Genossenschaften – Konkur­renz machen. Deshalb verweisen manche Stellung­nahmen der Wohnungswirtschaft zu diesem Thema schon jetzt auf europa- und wettbewerbsrechtliche Einwände gegen dieses Vorhaben. Sie bieten sich stattdessen selbst als die besten Garanten für eine Lösung der sozialen Frage auf dem Wohnungsmarkt an und fordern statt dieses Gesetzes Regelungen, die ihrem Vorschlag eines „gemeinwohlorientierten

Wohnungsbaus“ entsprechen. Unter diesem recht­lich unbestimmten Begriff lässt sich allerdings Alles und Nichts fassen und tatsächlich haben die entsprechenden Vorschläge mit den Kriterien der Gemeinnützigkeit nicht mehr viel gemein. Das Dia­konische Werk warnt deshalb zu Recht vor einem „Social-washing“ in dieser Debatte.

Weil sich hier nicht nur begrifflich eine schiefe Ebene auftut, halten wir es für sinnvoll, bei dem zu bleiben, was sich bewährt hat: Wer als Wohnungs­unternehmen gemeinnützig tätig sein will, kann das schon jetzt unter den gegebenen Bedingungen hervorragend tun. Die öffentliche Hand behält dabei ihre uneingeschränkte Steuerungsfähigkeit. Der entscheidende Faktor für diesen Weg und dem da­rauf erzielbaren Erfolg liegt nicht in einem neuen Gesetz, sondern in dem bereits erwähnten bevor­zugten Zugang zu geeigneten Grundstücken. Sie würden dann ohne Wenn und Aber, dauerhaft und verlässlich für die Menschen verwendet werden, die der Solidarität der Gesellschaft bedürfen und auf deren Realisierung die Gemeinnützigkeit zielt.

Theo Christiansen ist Mitarbeiter der Hamburger Behrens- Stiftung

zuerst veröffentlicht: FREIHAUS 27(2023), Hamburg