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Artikel Wohnprojekte für besondere Zielgruppen Wohnungspolitik

Wohnen und Gemeinnützigkeit – das gab es doch schon mal?!

Die Freihaus-Redaktion im Gespräch mit Dr. Tobias Behrens, STATTBAU HAMBURG und Beiratsmitglied des Hamburger Bündnis für Wohnstifte

*** Gesprächsführung: Sabine Natebus ***

Welche Chancen könnte eine Neue Wohngemein­nützigkeit (NWG) den Hamburger Wohnstiften bieten?

Dr. Tobias Behrens: Diese Frage lässt sich zur­zeit nicht beantworten, weil noch viel zu viel zu die­sem Thema unbekannt ist. Die Anfang 2023 be­gonnene Entwicklung von konkreten Eckpunkten für die Einführung einer NWG ist leider stecken ge­blieben, weil das Finanzministerium in Berlin zu­nächst jede Maßnahme, die im Haushalt zusätzliche Kosten verursachen könnte, blockiert. Einzig die Worte des Koalitionsvertrages zeigen aber, wohin es gehen sollte: Steuerliche Erleichterungen und In­vestitions-Zulagen. Damit könnte meines Erachtens „eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums“ erzeugt werden, wie es im Koalitionsvertrag formuliert wurde. Auf dem sogenannten Wohngipfel im Sep­tember 2023 hat die Bundesregierung nochmal die Einführung der NWG in 2024 bestätigt.

Leben die Mitglieder im Hamburger Bündnis für Wohnstifte diese Wohngemeinnützigkeit nicht schon längst in der Praxis?

Die Wohnstifte sind längst die „geborenen Part­ner“ einer städtischen gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik, weil sie satzungsgemäß zu die­sen Zielen verpflichtet sind. Die Praxis in der Stadt Hamburg zeigt die enorme Leistung der Stifte sehr eindrucksvoll. Sie vermieten nicht renditeorientiert, sondern gemäß ihren Satzungszielen, beispielsweise „Wohnraumversorgung für bedürftige Personen“. Und das zum Teil schon seit dem Mittelalter.

Welches der vorgestellten Konzepte und Optio­nen aus dem Eckpunktepapier sind Ihrer Meinung nach am Erfolgversprechendsten, wenn es darum geht, die dauerhafte Sozialbindung in bezahl­baren Wohnraum zu erhalten?

Das im Juni veröffentlichte Eckpunktepapier ist in Wirklichkeit keine Grundlage für die Erarbeitung eines neuen Gesetzes, sondern zeigt drei mögliche Varian­ten auf. Nur die Variante 1 mit einer Kombination von Investitionszulagen und Steuererleichterungen könnte dauerhaft geringe Mieten sicherstellen und würde in diesem Zusammenspiel Sinn machen. Nur Steuererleichterungen oder eine Veränderung der Ab­gabenordnung in Bezug auf die Erweiterung der ge­meinnützigen Ziele wäre viel zu kurz gesprungen.

Unter welchen Umständen können diese Konzep­te eine neue Dynamik in den Neubau beziehungs­weise in die Nachverdichtung bei den Wohnstiften bringen?

Man darf bei der Einführung einer NWG nicht davon ausgehen, dass sofort alle Probleme des Wohnungsmarktes schnell behoben werden. Und man sollte sich auch nicht entmutigen lassen, wenn die traditionelle Wohnungswirtschaft nicht mit­machen will. Wichtig erscheint mir aber, dass damit langfristig ein neuer Sektor der Wohnungswirt­schaft aufgebaut wird, den es zum Teil schon gibt, der aber mit dem NWG-Gesetz einen formalen Rah­men bekommt und unabhängig von der Rechtsform die gleichen Ziele verfolgt. Eine neue Dynamik wird ausgelöst, weil Bauherr*innen, die bisher aus Eigen­kapitalmangel neue Bauvorhaben nicht umsetzen können, nun in die Lage versetzt werden würden, dies zu tun. Es würde mit jeder neuen Wohnung unter dem Dach der NWG sichergestellt werden, dass diese dauerhaft preiswert am Markt bleibt.

Was sollte eine NWG aus Ihrer Sicht unbedingt mitberücksichtigen?

Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit sollte mit einem neuen Gesetz verbunden werden und nicht nur ein Förderprogramm beinhalten. Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit sollte eine soziale Ge­wichtung bekommen, das heißt, wer mehr soziale Verpflichtungen übernimmt, soll besser gefördert werden. Auch Kombinationen mit den einzelnen Landesförderprogrammen für den Wohnungsbau sollten unbedingt möglich sein.

Dr. Tobias Behrens, STATTBAU HAMBURG und Beiratsmit­glied des Hamburger Bündnis für Wohnstifte (Bild: STATT­BAU HAMBURG)

zuerst veröffentlicht: FREIHAUS 27(2023), Hamburg