Kategorien
Artikel Stadtsanierung/Stadterneuerung

Altona : Wohnen auf der Wiese

*** von Uwe Hornauer ***

Ottensen ist das Herz von Altona: bunt, quirlig und pulsierend. Dort entsteht – einmalig in der Bundesrepublik – zwischen Erdmann- und Behringstraße das Wohnquartier Zeisewiesen, ein Areal mit vielen unterschiedlichen Wohnprojekten. Bis es soweit kam, waren eine Menge Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen.

Ottensen: Wohnquartier mit Charme

Vor allem für junge Menschen ist Ottensen ein beliebtes Wohnquartier. Es liegt zentral, hat eine hervorragende Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, ist berühmt für seine lebendige soziale Mischung, verfügt über ein hervorragendes Angebot an urbaner Zerstreuung und ist Standort für viele junge Betriebe aus modernen Wirtschaftszweigen.

Das war nicht immer so. Denn in den 70er Jahren war Ottensen im Umbruch. Viele alteingesessene Industriebetriebe verlegten ihren Standort an den Stadtrand oder mußten aufgeben, weil sie im modernen Wettbewerb nicht mithalten konnten. So auch auf dem Zeisegelände, auf dem in den 60er Jahren noch Bagger, schweres Räumgerät und Schiffsschrauben produziert wurden. Danach wurden Gewerbehöfe aufgegeben oder große traditionelle Fabrikgebäude abgerissen. Auf dem Zeisegelände blieben ein paar alte Fabrikationshallen stehen und wurden umgenutzt z.B. für ein Kino, andere fielen den Baggern zum Opfer. Über Jahrzehnte lag eine große Industriebrache – nicht mal 1 km Luftlinie vom Altonaer Bahnhof entfernt – mitten in der Stadt.

Wohnen oder Gewerbe, das war die Frage

Wie das Areal zwischen Ottenser Hauptstraße und Behringstraße endgültig bebaut werden sollte, darüber bestand lange Zeit Unklarheit. Zwar gab es zwei Bebauungspläne, aber sie wurden über 10 Jahre nicht umgesetzt. Das eröffnete der Bezirksversammlung die Chance, sich noch einmal damit zu befassen. Der Streit, Gewerbe oder Wohnen und wieviel von jedem, dauerte „ewig“. Klar war auf jeden Fall, dass es eine dichte Bebauung geben sollte, weil es sich um eine innerstädtische Lage handelt. Um die Pläne auch ökonomisch tragfähig zu gestalten, erlaubte das Bezirksamt an der Bergiusstraße und der verlängerten Erdmannstraße zusätzlichen Wohnungsbau. Das machte die Bebauung des zur „Zeisewiese“ gewordenen Areals mit den Kleingenossenschaften erst möglich.

Wohngruppen: Da weiß man, was man hat

Es gab schon lange verschiedene Gruppen und Kleingenossenschaften, die ein Interesse an einem Neubau auf der Zeisewiese artikuliert hatten. In Ottensen gibt es Erfahrungen mit Wohngruppen: sei es an der Bergius-, und Erdmannstraße, an der Klaus- und Großen Brunnenstraße, an der Bahrenfelder Straße oder an der Fischers-Allee. Und diese Erfahrungen sind durchweg positiv.

Für Kleingenossenschaften und Wohngruppen auf der Zeisewiese sprach daher nach Auffassung des Bezirksamtes eine Menge. Deren Bewohnerschaft identifiziert sich mit dem Stadtteil, trägt zu seiner Stabilisierung bei und verstärkt das soziale Engagement in Ottensen.

Dem Wohlwollen des Bezirks, der traditionell offen gegenüber liberalen Experimenten ist, standen jedoch eine Zeitlang die harten Realitäten der leeren Hamburger Landeskasse gegenüber. Auch Ottenser Besonderheiten, wie ein Bauwagenplatz auf dem vorgesehenen Baugelände, ließen die Erfolgsaussichten des Projekts viel zu lange Zeit nicht in rosa-rotem Licht erscheinen.

Was lange währt …

Unter dem Eindruck von Wohnungsnot in den frühen 90er Jahren wurde die bis dahin geltende Planung für die Zeisewiese aufgegeben. Es folgten endlose Diskussionen mit allen Beteiligten, bis die endgültige Lage der Gebäude zur Zufriedenheit aller festgelegt war. Dann wurde der Bebauungsplan in Altona einstimmig verabschiedet und vom Senat festgestellt. Das kann als Ergebnis der spezifischen Verhandlungskunst in Altona angesehen werden: keine Konfrontation, keine faulen Kompromisse, sondern konkret umsetzbare Ergebnisse.

Inzwischen wird kräftig gebaut. Aus Sicht des Bezirks ist besonders bemerkenswert, dass es unter schwierigen Rahmenbedingungen und widerstreitenden Interessen gelungen ist, eine seit über zehn Jahren brach liegende innerstädtische Fläche so neu zu bebauen, dass der Gewinn für den Stadtteil schon in der Bauphase zu sehen ist. Trotz für die Beteiligten extrem langer Verfahrensdauer sind alle Probleme einvernehmlich gelöst worden. Das hat vielleicht Modellcharakter für ähnliche Problemgrundstücke in unserer Stadt.

Dr. Uwe Hornauer ist Bezirksamtsleiter von Altona

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 4(1999), Hamburg