*** Interview mit Dr. Bernd Hunger ***
Die junge Wohnungsbaugenossenschaft Schanze eG in Hamburg hat für ihr Bauvorhaben in der Telemannstraße 24 eine besondere Anerkennung im Rahmen des bundesweit ausgeschriebenen Bauherrenpreises 2004 erhalten. Dieses Bauvorhaben ist in Kooperation der Wohngruppe „Wohnprojekt 13“ mit STATTBAU HAMBURG und dem Architekturbüro Dittert & Reumschüssel entstanden. Wir haben einem der Juroren, Herrn Dr. Hunger, der mit anderen den GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen vertreten hat, dazu ein paar Fragen gestellt.
FreiHaus: Der Bauherrenpreis ist eine bundesweite Auszeichnung. Wer organisiert diesen Wettbewerb und welche Ziele werden damit verfolgt?
Hunger: Die Suche nach „hoher Qualität zu tragbaren Kosten“ im Wohnungsneubau wie auch in der Modernisierung der Wohnungsbestände steht seit 1986 im Mittelpunkt der inzwischen 13 Wettbewerbe um den Bauherrenpreis, der von der AG KOOPERATION des GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen, des Deutschen Städtetages und des BDA Bund Deutscher Architekten ausgelobt wird. Es geht darum, sehr gute Wohnungsbauvorhaben in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken. Schließlich gibt es keinen vergleichbaren Wettbewerb, der sich so erfolgreich und mit bemerkenswerter Kontinuität mit der Weiterentwicklung des Wohnungsbaus auseinandersetzt und neue Lösungswege aufzeigt.
Neue Wege im Wohnungsbau
FreiHaus: Kann man seit 1986, seitdem es dieses Wettbewerbsverfahren gibt, unterschiedliche thematische Schwerpunkte erkennen und steckt dahinter eine Entwicklung zu jeweils aktuellen Bauthemen?
Hunger: Kontinuierlich verfolgen die Auslober die Absicht, vor allem Projekte mit experimentellem Charakter auszuzeichnen, weil gerade innovative Projekte am besten geeignet sind, die Diskussion über neue Wege im Wohnungsbau zu beleben und weiterzuführen. Standen Mitte der 80er Jahre vor allem neue Ansätze kostensparenden ökologischen Bauens im Mittelpunkt des Interesses, so fanden in den 90er Jahren Fragen der städtebaulichen Einbindung und der sozialen Qualität der eingereichten Projekte stärkere Beachtung. Völlig neu ist die Frage des Wohnungsneubaus im Kontext von Rückbau in den schrumpfenden Städten der neuen Länder.
Hohe Qualität zu tragbaren Preisen
FreiHaus: Welche Rolle spielt bei der Auswahl die Qualität der Architektur, genauer, die der äußeren Ästhetik und die der Nutzungsqualitäten?
Hunger: Der Verbund der Auslober, der Wohnungsunternehmer, Kommunalpolitiker und Architekten zusammenführt, zeigt bereits die Komplexität der Betrachtungsweise: es geht um hohe Qualität zu tragbaren Kosten. Gestalterisch anspruchslose und funktionell problematische Billig-Projekte haben ebenso wenige Chancen wie hochgestochene Edel- Vorhaben im Hochpreissegment. Ebenso interessiert nicht allein die Architektur des Einzelbaus, sondern seine gestalterische wie funktional plausible Einbettung in das umgebende städtebauliche Gefüge.
Attraktives und vielfältiges Wohnen
FreiHaus: Was waren die inhaltlichen Themen des Jahres 2004 und warum wurden diese Schwerpunkte gesetzt?
Hunger: Besonderen Wert legte die Jury angesichts der aktuellen städtebaupolitischen Bemühungen um die Förderung des innerstädtischen Bauens darauf, dass jene eingereichten Projekte besonders aufmerksam begutachtet wurden, die mit attraktivem und vielfältigem Wohnen im städtebaulichen Kontext die Innenstädte beleben,die Nachbarschaften stabilisieren und der weiteren Umlandzersiedlung entgegenwirken. Wert gelegt wurde auf neue Ansätze, die sich über Grundrissoptimierung, Materialwahl und Niedrigenergielösungen den Zielen nachhaltigen Bauens verpflichtet haben. Besonderes Interesse galt Projekten, die den Stadtumbau als strategisch weitreichende und neue Bauaufgabe beispielhaft demonstrieren.
Ein engagiertes soziales Projekt
FreiHaus: Was waren die Qualitäten, die dazu geführt haben, dass die Akteure, die das Wohnprojekt Telemannstraße realisiert haben, eine Anerkennung bekommen haben?
Hunger: Das Sympathische und Innovative am selbstorganisierten Wohnprojekt in der Telemannstraße besteht darin, dass eine junge Genossenschaft unter Beteiligung der zukünftigen Bewohner ein Mehrgenerationenhaus mit individuellen Grundrissen in hoher Gestaltqualität und im Passivhausstandard errichtet hat. Bewirtschaftung und Verwaltung erfolgen in Eigenregie, ein sozialer Träger hat für einen Teil der Wohnfläche Belegungsrechte. Insgesamt: ein engagiertes soziales Projekt, das mit seinem Innenstadt- und Gemeinschaftsbezug einen architektonisch gelungenen Kontrapunkt zum üblichen Einzelbau auf der grünen Wiese setzt.
FreiHaus: Wir danken für dieses Gespräch.
Dr. Bernd Hunger ist Referent für Wohnungsbau, Städtebau, Forschung und Entwicklung beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen und war Jurymitglied bei der Auslobung des Bauherrenpreis 2004. Die Fragen stellte Dr. Josef Bura. Er ist Mitarbeiter der STATTBAU HAMBURG GmbH.
zuerst veröffentlicht: FreiHaus 11(2004), Hamburg