Interview mit Marko Lohmann, Vorsitzender der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille eG und Geschäftsführer des Hamburger Landesverbands des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen
*** Gesprächsführung: Joscha Metzger ***
Die soziale Wohnungsversorgung ist seit Jahren ein Dauerbrenner in der öffentlichen Debatte. Von verschiedenen Seiten wird von der Wohnungsfrage als der sozialen Frage des 21. Jahrhunderts gesprochen. Wie ist ihre Einschätzung zum Wohnungsmarkt? Vor welchen Herausforderungen stehen wir und welche politischen Maßnahmen sind nötig, um in Zukunft soziales und nachhaltiges Wohnen für alle zu gewährleisten?
Marko Lohmann: Der Hamburger Wohnungsmarkt ist differenziert zu betrachten. Nach den erfolgreichen Jahren im Bündnis für das Wohnen seit 2011 – wo es eine sehr wirksame Neubautätigkeit gegeben hat und auch preisdämpfende Wirkungen nachgewiesen werden konnten – leidet er nun unter erschwerten Rahmenbedingungen. Wir erleben seit dem Jahr 2022 beispielsweise eine starke Inflation, die alle Haushalte trifft, egal ob sie bereits in Hamburg wohnen oder eine neue Wohnung suchen. Die erhöhten Baukosten führen aber auch für diejenigen, die in neue oder bestehende Wohnungen investieren, zu erhöhten Kosten. Auch die Finanzierungsbedingungen haben sich verschlechtert. Außerdem haben sich die Förderbedingungen, zumindest auf Bundesseite, deutlich verschlechtert. All das führt in der Gemengelage dazu, dass der Druck auf den Wohnungsmarkt vermutlich wieder zunehmen wird. Nicht zu vergessen ist die Wechselwirkung zwischen dem Eigentums- und dem Mietwohnungssegment. Wir beobachten eine besonders starke Krise im Wohneigentumsneubau. Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass gerade die Zielgruppen, die bisher ins Eigentum gegangen sind, nun verstärkt in den Mietwohnungsmarkt drängen. Das alles wird Folgen haben, auf die wir bereits seit 2022 im Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW ) hingewiesen haben und nun gilt es Lösungen dafür zu finden.
Der Druck nimmt also zu und umso mehr ist ein austarieren der Zielkonflikte – der bestehenden und der, die sich derzeit verschärfen – gefragt. Ich teile die Einschätzung, dass wir neben der sozialen Frage auch das nachhaltige Wohnen gleichermaßen gewährleisten müssen. Es hilft aber wenig, wenn Verschärfungen im Bereich der Nachhaltigkeit nicht mit sozialen Zielsetzungen austariert sind. Das dürfen wir nicht gegeneinander ausspielen. Die Ziele müssen aber bereits auf politischer Ebene vereint werden und nicht erst auf der Ebene des konkreten Investments. Bislang ist das so und bislang leisten einzelne Unternehmen hierbei gute Ergebnisse, aber ich würde mir wünschen, dass auch diese Diskussion dazu beiträgt, das für andere Investor*innen zu vereinfachen.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung festgelegt, zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den zu Weg bringen und somit eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums zu erzeugen. Welche Chancen bietet eine solche Neue Wohngemeinnützigkeit aus Ihrer Sicht?
Ich kann diese Frage derzeit nicht beantworten, da aus meiner Sicht sehr viele Kriterien aus dem Eckpunkte-Papier des Bundesbauministeriums von Juni 2023 nicht beantwortet sind. Es macht nämlich einen enormen Unterschied, ob die finanziellen Möglichkeiten im Bundeshaushalt ab den Jahren 2024/25 und später beispielsweise mit einer Million Euro ausgestattet werden oder mit einer Milliarde oder zehn Milliarden Euro. Wieviel Geld ganz konkret für welche Förderleistung gebraucht wird, ist derzeit nicht beantwortet. Es macht einen Unterschied, ob 5 % unterhalb des Hamburger Mietenspiegels oder 15 % darunter vermietet werden soll. Welche Nachhaltigkeitsleistungen sollen konkret erbracht werden? All das ist bislang nicht benannt, ist aber enorm wichtig zu wissen, wenn wir über wirtschaftliche Konsequenzen des finanziellen Nachteils sprechen wollen, der hier ausgeglichen werden soll laut den Leitsätzen des Bundesbauministeriums.
Während die großen Immobilienverbände die Einführung einer Neuen Wohngemeinnützigkeit für überflüssig halten, sind Mietervereine, Kirchliche und Soziale Träger sowie der Wohnbund als Interessensvertretung selbstverwalteter Wohninitiativen davon überzeugt, dass eine Neue Gemeinnützigkeit wichtige Impulse für bezahlbares Wohnen geben wird. Wie schätzen Sie aus der Sicht einer großen Genossenschaft, die selbst aus der Tradition des (alten) gemeinnützigen Wohnungsbaus kommt, diese Debatte ein?
Die bisherige Debatte ist aus meiner Wahrnehmung in erster Linie ideologisch und aus sehr vagen Grundzügen geführt worden. Meine vorgenannten Fragen und viele weitere, die ich dazu anbringen könnte, weisen darauf hin, dass wir hier komplexe Details mit Blick auf die Zukunft lösen müssen, damit eine Wohngemeinnützigkeit keine Träumerei bleibt, sondern konkret umgesetzte und umsetzbare Förderangebote entstehen. Die Erfahrung der Diskussion um alte und neue Erbbaurechtsverträge in Hamburg, die wir seit mehreren Jahren führen, zeigt, dass die Abstimmung mit dem EU-Beihilfenrecht im Detail sehr herausfordernd und komplex ist. Diese Fragen müssen zunächst beantwortet werden, damit es praxistauglich wird.
Mit Blick auf die Hansestadt Hamburg: Welche Verbesserungen könnten die im Eckpunkte-Papier des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen genannten Fördervarianten für die soziale Wohnungsversorgung bieten?
Wenn dann eine Neue Wohngemeinnützigkeit zu all den Fragen, die ich gestellt habe, praxistaugliche, finanzierbare und auch für einzelne Investor*innen oder Vermieter*innen wirtschaftlich tragfähige Angebote enthält, dann begrüße ich dies für all diejenigen, die derzeit in Hamburg nicht zum Zuge kommen – sei es, weil die Projekte zu komplex sind oder die eigentlich guten Förderbedingungen für den konkreten Einzelfall nicht reichen, weil beispielsweise im Einzelfall besondere nachhaltige Kriterien erbracht werden müssen oder besondere soziale Konzepte erbracht worden sind, die mit bisherigen Förderleistungen nicht kompensiert werden können. Vor allen Dingen sehe ich eine große Chance, wenn die neue Wohngemeinnützigkeit über den Moment des Investierens die Fragestellung in den Blick nimmt, wie dauerhaft über den Lebenszyklus der Immobilie, eine Bezahlbarkeit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit austariert werden soll. Das ist genau die spannende Frage vor der wir hier stehen und gerne stehe ich für die Diskussion all dieser Kriterien weiter zur Verfügung. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, was wir daraus gemeinsam lernen können.
Marko Lohmann ist Vorsitzender des VNW-Landesverbandes Hamburg e.V. und geschäftsführender Vorstandsvorsitzender der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille eG

zuerst veröffentlicht: FREIHAUS 27(2023), Hamburg