Kategorien
Artikel Bodenpolitik/Grundstücke Wohnungspolitik

Nadelöhr Grundstücke

*** von Klaus Joachim Reinig ***

Die Förderung von Wohnprojekten ist fester Bestandteil der Hamburger Wohnungspolitik. So weit – so gut. Mit rot-grün sollte es besser werden als zuvor. Die bisherige Bilanz ist ernüchternd. Fazit: Ohne geeignete Grundstücke von der Stadt – keine neuen Wohnprojekte.

Ernüchterung macht sich breit bei Hamburger Wohnprojekt-Initiativen. SPD und GAL hatten 1997 in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, jährlich bis zu 200 Sozialwohnungen als Wohnprojekte zu fördern. Gefördert werden jedoch tatsächlich nur rund 150 Wohnungen – in den gesamten vier Jahren der Legislaturperiode. Ziel verfehlt Dass das Ziel so weit verfehlt wird, liegt hauptsächlich daran, dass kaum geeignete Grundstücke für Wohngruppen zur Verfügung gestellt werden. Die von der Liegenschaftsverwaltung Ende 1998 angebotenen Grundstücke erwiesen sich weitgehend als unbebaubar, völlig abseits gelegen oder hatten andere Hemmnisse, an denen eine Bebauung scheitert.

Ein Wohnhaus auf dem Grundstück Eichholz 52 für die Gruppe Wohnwahn war technisch und planungsrechtlich nicht realisierbar. Gegen die Anhandgabe des Grundstückes von-Essen-Straße in Barmbek-Süd wurde ein Bürgerbegehren initiiert, weil es als Schulhof gebraucht wird – die Bezirksversammlung Nord übernahm die Forderungen des Bürgerbegehrens.

Gegen das Projekt für Migrantenwohnen in Allermöhe legte die Bergedorfer SPD und die CDU ihr Veto ein. Das Grundstück Deepenstöcken in Lokstedt wurde entgegen den Ankündigungen doch keiner Wohngruppe gegeben, sondern soll nun mit einer Beach-Volleyball-Anlage bebaut werden – obwohl es als Wohngebiet ausgewiesen ist.

Was bleibt von den Ankündigen?

Aber auch andere Versprechungen blieben auf der Strecke: Über den in der Koalitionsvereinbarung versprochene Prüfauftrag für eine Stiftung zur Senkung des Eigenkapitals bewahrt die Baubehörde Stillschweigen. Das erforderliche Eigenkapital für Wohnprojekte ist immer noch so hoch, dass Geringverdienende ausgegrenzt werden.

Auch ein lange fertiggestellter Wohnprojekte-Wegweiser für Interessierte Wohnungssuchende liegt in der Baubehörde auf Eis. Die Chance auf eine aktive soziale Stadtentwicklungspolitik und die Unterstützung aktiver Nachbarschaften durch gemeinschaftliches Wohnen wird vertan. Anhandgaben von Grundstücken für sozialen Wohnungsbau von Wohngruppen mit Aussicht auf Bebauungsmöglichkeiten gibt es lediglich am Pinnasberg in St. Pauli-Süd (Gruppe Parkhaus, 19 WE), an der Osterhoffstraße in Heimfeld (anders wohnen, 25 bis 37 WE), in der Telemannstraße 13 in Eimsbüttel (Wohnprojekt 13, 20 WE). Geplant ist die Anhandgabe eines Grundstücks für 50 Wohnungen an der Eidelstedter Feldmark.

Die Finanzbehörde läßt viele stadteigene Häuser und Grundstücke in begehrten Lagen nach wie vor zum Höchstpreis verkaufen. So scheiterte in St. Georg eine Initiative für Wohnen mit Kindern in der ehemaligen Schule Koppel an kapitalkräftigeren Anlegern. Der örtlichen Grundschule droht das Aus, weil die Kinder in St. Georg knapp werden.

Wenn neue Wohnungsbauflächen von der Stadt entwickelt werden, bleiben Wohngruppen unberücksichtigt. Bevor Stadtplanungswettbewerbe ausgeschrieben werden, werden die Grundstücke an die späteren Investoren verteilt – und da haben Wohngruppen keine Chance. Sie können keine langwierigen Planungsverfahren vorfinanzieren und wenn die Grundstücke baureif sind, werden sie abgewiesen, wie z.B. an dem neuen Wohngebiet Kornweg in Klein Borstel.

Wie bisher: Sich regen – bringt Segen

Also nichts Positives zu vermelden? Immerhin will die Baubehörde nun prüfen, wie mehr Grundstücke bereitgestellt werden können. Und die Liegenschaftsverwaltung hat die seit einiger Zeit vakanten Mitarbeiterstellen besetzt, die für Wohngruppen zuständig sind. Die Regierungsparteien müssen sich allerdings fragen lassen,  ob sie noch zu den Aussagen in der Koalitionsvereinbarung stehen.

Wohngruppen auf der Suche nach Grundstücken sind also gut beraten, nicht zu resignieren sondern wieder und wieder vorstellig zu werden und ihre Anliegen zu vertreten. Wer sich nichts wünscht, bekommt nichts und wer nicht nervt, verschwindet auf einer Bewerbungsliste – bis die Wohngruppe sich aufgelöst hat. Und soweit sollten wir es doch nicht kommen lassen.

Klaus Joachim Reinig ist Architekt von Wohngruppen-Projekten und Mitglied im Beirat von FREIHAUS

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 6(2000), Hamburg