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Artikel Netzwerk Wohnprojekte für besondere Zielgruppen

Single wird Patenonkel

*** von Ulrike Hoppe ***

Durchweg positive Erfahrungen werden aus „Wohnen-mit-Kindern-Projekten“ berichtet. Welche Fehler kann man vermeiden? Welche Beratungsmöglichkeiten und Angebote gibt’s in Hamburg.

Das in Hamburg im Aufbau befindliche Projekt „Wohnen mit Kindern am Spitzbergenweg“ (Kontakt über ABRAXA) sucht nicht nur alleinerziehende Frauen oder junge Familien, sondern auch Singles, ältere und jüngere Menschen, die gerne mit Kindern leben wollen. Warum? Um sich optimal gegenseitig bereichern und entlasten zu können – Single wird Patenonkel, Baby findet Ersatzoma, Mutter kriegt freien Abend.

Wohnen mit Kindern

Seit gut 20 Jahren haben sich zahlreiche Wohnprojekte – sowohl auf genossenschaftlicher wie auf Eigentumsebene – entwickelt, die explizit das Ziel hatten,die engen Grenzen der Kleinfamilie aufzubrechen. Seit gut zehn Jahren gibt es auswertende Literatur zu dem Thema,und die Erfahrungen werden überwiegend als positiv beschrieben. Hier eine kleine Statementsammlung (aus: Gruppenwohnprojekte in der Bundesrepublik, Hrsg. Joachim Brech, Darmstadt 1990):

  • Besonders die Familien mit Kindern und die alleinstehenden Frauen mit Kindern bezeichnen das Leben als „paradiesisch“.
  • Innerhalb der einzelnen Häuser entwickeln sich je nach der Situation nachbarschaftliche Hilfen wie Kinderbetreuung, Einkauf bei Krankheit, Pflege der Blumen und der Haustiere während des Urlaubs, sogar Unterstützung in persönlichen Krisen sei selbstverständlich geworden.
  • Ernsthaften Streit hat es bisher nicht gegeben, dafür viel gemeinsame Feste.
  • Die Kinder, vor allem die jüngeren, leben die Gruppensituation am intensivsten. Von ihnen wird der Hof bevölkert, für sie stehen die Türen aller Wohnungen offen. Sie haben jetzt nicht allein ihre Eltern als Bezugsperson, sondern mehrere Erwachsene, was ganz entscheidend zu einem entspannteren Verhältnis zwischen Eltern und Kindern beiträgt.

Wie sehen Musterhaus und – garten eines Wohnprojektes mit Kindern aus?

Wer es sich leisten konnte, baute mindestens einen gemeinschaftlichen Kinderspielraum, einen ebenerdigen Abstellraum für Kinderwagen und Fahrräder und einen Garten mit Grillplatz, Sandkiste, Schaukel und Spielwiese. Später stellten dann viele Projekte fest, dass die Planung zu ausschließlich auf „Kleinkind“ ausgerichtet war. Für die älteren Kinder fehlten Angebote, Ruhebedürfnisse der Erwachsenen kamen zu kurz, der dynamischen Entwicklung von Familien konnte das Haus keinen Raum bieten. Wichtige Erfahrungen für Wohnprojekte in Planung sind also: Gemeinschaftsräume sollten multifunktional geplant werden. Der Garten sollte unterschiedlichen Bedürfnissen Raum bieten. Wohnungen müssen wachsen können bzw. sich verkleinern lassen. Bewährt haben sich gemeinschaftliche „Gästezimmer“ oder Singleappartments, die nach Bedürfnis an jugendliche Nestflüchter, sich trennende Paare oder die Oma vermietet werden können.

Gerade Wohnprojekte für Mütter mit Kindern brauchen Unterstützung

Der Standardsatz von Müttern, die ein Wohnprojekt suchen, ist: Ich brauche jetzt sofort was. Und: Ich kann unmöglich zu diesen vielen Terminen gehen, die zu einem Projektaufbau gehören. Vor allem weil in Hamburg die Grundstücksbeschaffung so schwierig ist, dauert es in der Regel nicht unter vier Jahren , oft noch länger, bis ein Wohnprojekt realisiert ist. Hier wären Politik und Verwaltung gefragt, ein besonderes Angebot für Menschen mit Kindern zu entwickeln. Außer Grundstücken müsste das beinhalten, dass Projektberatung und -entwicklung in die förderungsfähigen Kosten aufgenommen werden. Gerade Alleinerziehende können unmöglich neben Kind und oft noch Job die nötigen Klärungen mit Behörden, Politikern oder Fachleuten vorantreiben.

Das ABRAXA in Ottensen (Behringstraße 5) bietet zum Thema „Wohnen mit Kindern” Beratung und Projektentwicklung an. Es bewirbt sich um Grundstücke bei der Liegenschaft und organisiert Gruppen für Wohnprojekte.

Ulrike Hoppe ist Historikerin, Gründungsfrau und Mitbewohnerin des Wohnprojektes „HausArbeit“, verantwortlich für den Bereich „Wohnen mit Kindern“ im Abraxa und Mutter einer Tochter.

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 6(2000), Hamburg