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Schleswig Holstein: Landkommunen,Ökosiedlungen und Gruppenwohnprojekte

*** von Heidrun Buhse ***

Die Geschichte der Gruppenwohnprojekte in Schleswig-Holstein reicht bis weit in die 80er Jahre zurück. Realisiert wurden unterschiedlichste Projektansätze mit ganz verschiedenen Qualitäten im ländlichen Raum und in Städten.

Vor den Ökosiedlungen: Landkommunen und Kleinsiedlungen

Frühe Wohnexperimente wie die drei Wohngruppen zu Beginn der 70er Jahre im Olympiastadtteil Kiel-Schilksee im Rahmen von Stadtentwicklungsprozessen blieben eher eine Ausnahme. Zu Beginn der achtziger Jahre waren es Um- und Ausbauten von Landarbeitersiedlungen – wie in Krieseby-Au bei Eckernförde – oder von größeren Hofanlagen andernorts, die gemeinschaftliche, sozial motivierte neue Wohnformen von eher jungen Leuten hervorbrachten. In den neunziger Jahren entstanden die ersten Öko-Siedlungen wie die „Kieler Scholle e.G.“ und die „Clever Brise“ in Bad Schwartau als kleine Gemeinwesen mit bewusst gewählten Nachbarschaften vorwiegend in städtischen Neubaugebieten oder im Siedlungsbestand. Viele dieser Projekte standen in der Tradition der Gruppenselbsthilfe-Kleinsiedlungen, die insbesondere in der Nachkriegszeit mit Einzel – und Reihenhausformen städtische Wohnquartiere wie auch zahlreiche Dorfentwicklungen in Schleswig- Holstein prägten. Die gemeinschaftlich organisierte Eigenleistung ist in Schleswig- Holstein eine fest verankerte Variante der Eigentumsbildung insbesondere für Schwellenhaushalte und junge Familien und wird von Kommunen und in der Landesförderung auch heute noch in besonderer Weise berücksichtigt.

50 soziale Gruppenwohnprojekte

Neue Wohnformen entwickelten sich besonders stark in den 90er Jahren. Soweit landesseitig bekannt, entstanden zwischen 1990 und 2003 knapp 50 soziale Gruppenwohnprojekte und nachbarschaftsorientierte Siedlungen – vorwiegend im Eigentum. Über die allgemeinen Möglichkeiten der sozialen Wohnraumförderprogramme hinaus gibt es in Schleswig-Holstein zwei „Förderspezialitäten“ für Gruppenwohnprojekte:

  • Das Programm „Ressourcensparendes Bauen & Wohnen“ unterstützte zehn Jahre lang besondere ökologische und energieeinsparende Maßnahmen. Insgesamt wurden in diesem Programm bis zum Jahr 2000 weit über 1500 Wohneinheiten gefördert, rund die Hälfte davon in Gruppenwohnprojekten oder ökologischen Siedlungszusammenhängen.
  • Initiativen brauchen besonders am Anfang fachliche Unterstützung, um sich zu konsolidieren und ihr Projekt in eine Realisierungsreife zu bringen. Das Land richtete daher 1997 einen kleinen Titel zur Start-Förderung von sozialpolitisch und städtebaulich innovativen Projekten ein. Bislang konnten ca. 30 Projekte davon profitieren, und eine Reihe von Basiserfahrungen und Hilfestellungen für viele andere Initiativen wurden daraus abgeleitet.

Schwerpunkt bisher: Eigentumsorientierte Wohnprojekte

Bisher hat die „Wohnprojekt-Szene“ in Schleswig-Holstein einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der Eigentumsbildung. Die Projekte wirken in der Regel stabilisierend, raum- und quartiersbildend auf den Ort und übernehmen oft über die Nutzer/innengruppe hinaus wichtige quartiersvernetzende Funktionen. So z. B. im Ägidienhof oder in der Flintenbreite in Lübeck, in den zwei Öko-Siedlungen in Kiel-Hassee, in der Waldhof-Siedlung, im Twedter Feld in Flensburg oder auch zukünftig in der Allmende-Wulfsdorf bei Ahrensburg. Die Bandbreite der sozialen Themenstellungen ist groß und unterscheidet sich wenig von denen in Hamburg oder anderswo. Indes lassen sich Schwerpunkte ausmachen:

  • Städtische Neubausiedlungen durch bewusst geplante Nachbarschaften aufzuwerten mit individuell gestalteten Wohneinheiten in flächen- und kos tensparender verdichteter Bauweise und ökologischen Schwerpunkten stehen nach wie vor hoch im Kurs. Leider fällt es vielen Kommunen trotz vorliegender positiver Erfahrungen immer noch schwer, die entsprechenden Rahmenbedingungen für Bauleitplanung und Bodenbevorratung zu schaffen.
  • Auch Konversionsflächen bieten sich als Standorte an. In Flensburg, Twedter Feld und im Ägidienhof in Lübeck ist dies in Gruppeninitiative gelungen. Im Klosterforst in Itzehoe, auf dem Gelände der Sieck-Kaserne in Neumünster oder der Pickertkaserne in Kiel-Gaarden sind auf Initiative verschiedener Wohnungsunternehmen gute Beispiele für nachbarschaftsfördernde Wohnquartiere entstanden. In Schleswig, Pinneberg und Kiel-Wik stehen neue Konversionsmaßnahmen an, um die sich auch Wohngruppen bewerben.
  • Ein großer Schwerpunkt sind Wohngruppenprojekte, die auf Mietbasis bzw. in genossenschaftlicher Trägerschaft nachgefragt werden. Hierzu fehlt bislang die Unterstützung von bestehenden Wohnungsgenossenschaften in Schleswig-Holstein. Ausnahmen sind wenige innovative Unternehmen, wie die Wohnungsbaugenossenschaft Kiel-Ost. Auch neue genossenschaftliche Selbsthilfeprojekte sind rar gesät.

Orientierung auf kleinteilige genossenschaftliche Wohngruppen

Genossenschaften werden bislang in Schleswig-Holstein im Rahmen des Wohnraumförderprogramms gefördert, wenn sie soziale Bindungen für ihre Wohnungen bereitstellen. Auch der Ankauf von Wohnungen im Bestand durch Bewohnergenossenschaften in städtischen Problemgebieten ist förderfähig – wie z. B. die Bewohnergenossenschaft Esbjergweg e.G., die in Kiel-Mettenhof inzwischen 138 Wohnungen an zwei Standorten von Wohnungsunternehmen gekauft hat. Eine jüngst in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie soll neue Erkenntnisse für bessere Rahmenbedingungen der Wohngruppenprojekte in genossenschaftlicher Trägerschaft in Schleswig-Holstein erbringen. In Kiel, Lübeck, Schleswig, im Kreis Plön und in Itzehoe stehen Initiativen bereit, die diese Erkenntnisse direkt umsetzen wollen. Der Dachverband der Roma & Sinti ist ebenfalls mit der Organisation einer eigenen Genossenschaft befasst, die in einem Pilot-Projekt in Kiel Wohnraum in Form eines Beschäftigungsprojektes schaffen und danach bewirtschaften will.

Beratung und bessere Vernetzung

Neue vom Land geförderte Dienstleistungen unterstützen seit Jahresbeginn die Projektinitiativen: Der Leitfaden für Gruppenwohnprojekte und innovative Wohnkonzepte gibt Auskunft zu allen Fragen, die sich beim Aufbau eines Gruppenwohnprojekts stellen. […]

Die Internet-Adresse www.wohnberatung-sh.de soll die Vernetzung der Initiativen in Schleswig-Holstein voranbringen. Auf Landesebene ist eine Unterstützung und Förderung von Wohnprojekten auch zukünftig im Rahmen nachhaltiger Stadtentwicklungsprozesse ein Schwerpunkt. In Zukunft wird es darum gehen, die Förderung noch stärker auf die Belange der sozialen Trägerschaften abzustimmen und den Dialog mit den Kommunen über die positiven Wirkungen von Gruppenwohnprojekten zu intensivieren.

Heidrun Buhse ist im Referat für Wohnraumförderung Innenministerium Schleswig- Holstein u. a. tätig für soziale Wohngruppenprojekte.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 10(2003), Hamburg