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Stralsund – Eigentumsorientierte Genossenschaft in mittelalterlichen Gemäuern

*** von Arnold von Bosse und Katrin Tresse ***

Mitten in der Altstadt Stralsunds hat sich eine Gruppe von Menschen den Traum erfüllt, in mittelalterlichen Giebelhäusern im Wohneigentum zu leben. Die Mitglieder der Wohnungsbaugenossenschaft Frankenstraße eG haben sich für die Sanierung der längsten geschlossenen gotischen Giebelzeile in Stralsund eingesetzt. In der aus sieben Häusern bestehenden Zeile, die seit 1979 teilweise leer stand, wurden durch ihren Einsatz drei einsturzgefährdete, denkmalgeschützte Häuser komplett saniert und zu attraktiven Wohnungen umgebaut.

Mittelalterliche Bauten sind charakteristisch für die Hansestadt Stralsund, die durch ihre Altstadt und die historische Hafenanlage als Denkmal der Stadtbaukunst gilt. Leider wurde die Bausubstanz zu DDR Zeiten vernachlässigt. Abwanderungstrends haben zu weiterem Leerstand und Verfall der innenstädtischen Gebäude geführt. Anfang der 90er Jahre war die Altstadt Stralsunds ca. zur Hälfte unbewohnt. Auf der Suche nach Alternativen zu der fortschreitenden Abwanderung (häufig in das Umland der Stadt) sollten Sanierungsmaßnahmen Abhilfe schaffen. Das Problem stellten dabei allerdings die hohen Sanierungskosten aufgrund der unter Denkmalschutz stehenden Bausubstanz und – in der Frankenstraße – die sehr tiefen (dunklen) Giebelhäuser, für die gute Wohnungsgrundrisse nur sehr schwierig zu planen waren, dar.

Mittelalterliches Erbe erhalten

Die eigentumsorientierte Wohnungsgenossenschaft war damals besonders gut geeignet, ausreichendes Kapital zur Sanierung zu sammeln. Im Juni 1997 wurde die Wohnungsbaugenossenschaft Frankenstraße eG gegründet, durch die eine Bündelung des Bauherreneigenkapitals von 28 Wohneigentümern erreicht wurde. Die Motivation der Mitglieder bestand in dem Wunsch, im sanierten Altbau zu wohnen, sowie im Erwerb von Wohneigentum. Das Genossenschaftsmodell eignet sich dabei auch für Konfliktsituationen. Es verfolgt durch sein Mehrheitsprinzip einen ausgeprägten Gemeinschaftsgedanken und verhindert die Haftung einzelner Genossenschaftsmitglieder über die gezeichneten Anteile hinaus. Die Genossenschaft wurde nach der Erarbeitung eines Finanzkonzeptes von dem „Prüfungsverband klein- und mittelständischer Genossenschaften/Berlin“ geprüft und 1999 in das Genossenschaftsregister eingetragen.

Eigentumsorientierte Genossenschaft als Bauträger

Bis zur Fertigstellung der Sanierung im Juni 2002 waren einige Hürden zu nehmen. Bereits die grundbuchrechtliche Zusammenführung der drei Grundstücke (Frankenstraße Nr. 31 bis 33) verlief nicht ohne Probleme mit den ehemaligen Besitzern. Zum Einwerben von Sanierungsfördermitteln mussten 20 Stationen mit mehr als 100 Entscheidungsträgern abgearbeitet werden. Die Sanierungskosten für die drei Häuser beliefen sich schließlich auf rund 4,5 Mio. €. 50 % der Bewohner hatten bereits 1999 vor Baubeginn einen Genossenschaftsanteil von 250 € pro qm Wohnfläche in die Genossenschaftskasse eingezahlt. Die Förderquote (Deutsche Stiftung Denkmalschutz und Städtebaufördermittel) betrug ca. 55 %. Die Eigentümer setzen sich heute aus 60 % Selbstnutzern und solchen, die vermieten, zusammen. Die Bewohnerstruktur der 28 Eigentums- und Mietwohnungen umfasst Familien, Alleinstehende wie auch Rentner in unterschiedlichen Einkommensklassen.

Das Projekt wird als besonderer Erfolg bei den Sanierungsbemühungen in der Stadt Stralsund gesehen, da die Sanierung durch einen einzelnen Investor wegen des hohen Kostenvolumens nicht möglich war. Das als „Genossenschaftsmodell Stralsund“ bekannt gewordene Projekt erhielt zwei Bauherrenpreise. Gerne möchte die Genossenschaft die beiden nebenstehenden Giebelhäuser vor dem baulichen Verfall retten, jedoch stellt sich die finanzielle Realisierung durch sich ändernden Fördermöglichkeiten und die strukturschwache Situation der Region als sehr schwierig dar. Ein Projekt in diesem Terrain ist immer eine Gratwanderung zwischen dem Denkmalschutzanspruch und den Baukosten.

Arnold von Bosse ist Jurist im Bauamt der Stadt Stralsund und Projektleiter. Katrin Tresse ist Studentin der Stadtplanung an der TU Hamburg-Harburg und Praktikantin bei STATTBAU HAMBURG.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 11(2004), Hamburg