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Artikel Wohnprojekte für besondere Zielgruppen Wohnprojekte national/international

Türen müssen wir schaffen, Brücken bauen

*** von Katrin Tresse ***

Über 300 Menschen aus 24 Nationen leben in dem Wohnprojekt „Wohnmodell interethnischer Nachbarschaft“ im 23. Bezirk von Wien. Das Projekt, das unter dem Namen „globaler Hof“ bekannt wurde, beherbergt Familien, allein stehende Frauen mit Kindern, Singles, ältere und junge Leute. Kaum ein Raum in Europa vereint mehr Lebensstile und Haushaltsformen auf so dichtem Raum. Erste Impulse für ein inter-ethnische Projekt kamen bereits 1995, in einer Zeit, in der die Fremdenfeindlichkeit in Wien spürbar zugenommen hatte.

Das inter-ethnische Wohnmodell sollte eine „eigenständige wohnpolitische Antwort auf die Herausforderung einer pluralistischen Gesellschaft“ darstellen. In einer Mischung von 50% Migranten und 50% Österreichern entstand das Projekt, in dem Menschen unterschiedlicher Kultur gesucht wurden, die nachbarschaftlich zusammenwohnen und voneinander profitieren wollten. Die Wohnungsgenossenschaft Sozialbau AG gewann mit dem Vorhaben „Wohnmodell inter-ethnischer Nachbarschaft“ (W.i.e.N.) im Januar 1997 den 5. Wiener Bauträgerwettbewerb.

Bereits in der Rohbauphase fand im April 1999 ein erstes Integrationsfest für die zukünftigen Bewohner statt. Es folgten weitere Veranstaltungen, bis am 22. April 2000 der fertige Gebäudekomplex mit einem großen Eröffnungsfest präsentiert wurde. Alle Wohnungen waren vergeben, 248 Bewerber standen noch auf einer Warteliste.

Antwort auf pluralistische Gesellschaft

Hervorzuheben ist die Vielfältigkeit der Gemeinschaftseinrichtungen, die das Wohnmodell zu bieten hat. Ein großer Veranstaltungsraum und mehrere kleinere Gemeinschaftsräume stehen für unterschiedliche Aktivitäten bereit. Besonders positiv werden immer wieder die von mehreren Parteien gemeinsam genutzten Dachterrassen hervorgehoben. Auch kleinere Dach- und Vorgärten werden als sehr kommunikative Räume beschrieben. Ein großzügig angelegter Wasch- und Bügelraum mit Blick auf Kinderspielflächen ermöglicht nachbarschaftliche Treffen auch bei alltäglichen Arbeiten. Insgesamt sind für jede Witterung geeignete Räumlichkeiten vorhanden. Ein Wellnessbereich, eine Sushi-Bar, ein Café sowie kleine gewerbliche Flächen und eine Tiefgarage ergänzen das Angebot. Inzwischen wurde ein Verein von den Bewohnern gegründet, der die Gemeinschaftsräume durch gemeinsame Aktivitäten weiter beleben soll.

Leuchtturmwirkung

Schon nach einer zweijährigen Laufzeit erweist sich das Wohnmodell nicht nur für die Bewohner als geglückt, sondern auch für die Stadt Wien. Die Bewohner des Wohnmodells zeigten sich bis auf einige bauliche Mängel und traditionelle Streitpunkte (Sauberkeit, nächtliche Ruhestörungen) mit ihrer Wohnsituation als sehr zufrieden. Für die städtischen Akteure ist das Modell ein Beweis dafür, dass Integration gelingen kann. Das Modellvorhaben wird von vielen Seiten gelobt. Für die Stadt ist der globale Hof ein Vorzeigeprojekt geworden, als positives Beispiel in der Zeit von kontroversen Diskussionen um Migration und Integration.

Mehr zu dem Projekt und dem Buch von Herbert Ludl (Hrsg.) „Das Wohnmodell inter-ethnischer Nachbarschaft“ unter www.sozialbau.at

Das architektonische Motto des Wohnprojektes lautet „Türen müssen wir schaffen, Brücken bauen (…) statt Barrieren und Mauern aufzurichten“ [nach Ludl, 2003, S. 20]

Katrin Tresse ist Studentin der Stadtplanung an der TU Hamburg-Harburg und Praktikantin bei STATTBAU HAMBURG.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 11(2004), Hamburg