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Artikel Wohnprojekte für besondere Zielgruppen Wohnprojekte national/international

Wien [ro*sa] wohnen

*** Andrea Breitfuss ***

Wohnprojekte in Wien sind auch heute noch vor allem privater Initiative überlassen. Zwar investiert Wien viel Geld in den Wohnungsbau . Die Förderrichtlinien, die Bauordnung und die Verwaltung der Stadt Wien setzen allerdings noch immer ausschließlich auf die bewährten organisatorischen Großstrukturen.

Aber es gibt doch Wohnprojekte in Wien! Eines der bekannten Beispiele kooperativer Wiener Wohnprojekte ist die Sargfabrik. Eine Gruppe initiativer junger Menschen – mit ausreichendem finanziellem und sozialem Kapital und unter kreativer „Interpretation“ von Teilen der Bau- und Förderrichtlinien – hatte es Ende der 80er Jahre geschafft, ein baulich und sozial innovatives Wohnprojekt (und ein weiteres Nachfolgeprojekt in der unmittelbaren Nachbarschaft) zu errichten, das international Beachtung findet.

Innovation auch bei großen Wohnbaugesellschaften

Sucht man neue Wohnprojekte in Österreich (Wien), so fallen vor allem die Bauprojekte großer Wohnbaugesellschaften und -genossenschaften wie das Wohnmodell inter-ethnische Nachbarschaft der Sozialbau AG (vgl. dazu S. 17), die Frauen Werk Stadt und die autofreie Mustersiedlung (Mischek und Gewog) ins Auge: Themenwohnen als Grundlage für den sozialen Wohnungsbau. Zwar ist in den letzten Jahren die Qualität des Wohnungsneubaus gestiegen, und auch das Ausmaß an Mitbestimmungsmöglichkeiten der BewohnerInnen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, dennoch bieten kleine, selbst bestimmte Wohnprojekte ein deutliches Mehr an Mitbestimmung, an individuellen und gemeinschaftlichen Lösungen und vielfach auch ein Mehr an positiven sozialen und kulturellen Effekten im Umfeld. Es gibt auch Gruppen, die sich gerne auf eine dezidiert soziale Wohnform und den dazugehörigen sozialen Prozess einlassen würden. Das Wohnprojekt am Puchsbaumplatz zeigte, dass in Wien ausreichend Nachfrage besteht.

Vorreiter: kreative selbstorganisierte Projekte

Die Wiener Stadtverwaltung identifiziert sich zwar mit dem gelungenen Experiment „Sargfabrik“ und präsentierte sich auf einem Folder mit den Projekten Karl-Marx- Hof, Hundertwasserhaus und Sargfabrik als Architekturstadt. Dennoch haben sich die Rahmenbedingungen in der Stadt für kooperative Wohnprojekte seither keineswegs verbessert. Es fehlt eine Unterstützungsinfrastruktur, die Erfahrung in der Projektentwicklung kooperativer Bauvorhaben hat, es fehlt der einfache Zugang zu günstigen Grundstücken, es fehlen flexible Bau- und Förderungsrichtlinien, die dem innovativen Charakter solcher Bauprojekte Rechnung und dafür Sorge tragen, dass auch Interessierte mit durchschnittlichem Einkommen oder etwas darunter in solche Wohnprojekte einsteigen können.

[ro*sa] – Frauenprojekt in Planung

Dennoch gibt es auch in Wien Menschen, die an der Umsetzung ihrer Träume vom gemeinschaftlichen Wohnen arbeiten. Da ist zum Beispiel [ro*sa], ein von einer Gruppe von Frauen initiiertes, selbst organisiertes und geplantes Wohnprojekt. Die von der Architektin und Professorin an der TU, Sabine Pollak, ins Leben gerufene Gruppe ist auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück, einem/r passenden BauträgerIn und nach InvestorInnen sowie nach Finanzierungsformen, die es auch den älteren Interessentinnen (mehr als die Hälfte der Interessentinnen sind älter als 50 Jahre) erlauben, in das Wohnprojekt einzusteigen, denn mit zunehmendem Alter wird es schwieriger, langfristige Kredite zu bekommen, und zusätzliche Sonderförderungen sind vor allem auf junge Familien ausgerichtet.

Das Wohnprojekt orientiert sich an feministischen Grundsätzen: Frauen sollen die Entscheidungen treffen, Frauen sollen die Planung bestimmten, Frauen sollen die Mietverträge abschließen. In dem fertigen Wohnprojekt sollen Frauen und ihre PartnerInnen und Familien wohnen. Derzeit werden gerade die Möglichkeiten des Eintrittsrechts von männlichen Kindern in den Mietvertrag diskutiert. Es soll jedoch gewährleistet werden, dass die Bedürfnisse und Einflussmöglichkeiten von Frauen bei [ro*sa] im Mittelpunkt stehen.

Die Planung des Wohnprojekts verläuft kooperativ in mehreren Workshops zu Themen wie Privatsphäre und Gemeinschaftliches, Lage und Ort,Organisationsmodelle, Umsetzung, Finanzierung. Der aktuelle Stand der Workshopergebnisse hat ergeben, dass [ro*sa] gut an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen sein soll und es wird eine zwar urbane, aber dennoch ruhige Lage gesucht – keine einfach Aufgabe (nicht nur) in Wien.

[ro*sa] Zukunft auch für Frauen mit weniger Geld?

Vorgesehen sind zwischen 15 und 45 Wohneinheiten mit diversen Flächen für Gemeinschaftseinrichtungen. Ziel ist es, unterschiedliche Wohnformen (von WGs über Wohnungen mit Arbeitsplätzen zu abgeschlossenen Wohnungen) und unterschiedliche Wohnungsgrößen (von 38 qm für Kleinstwohnungen bis 100 qm für 4 Zimmerwohnungen) zu ermöglichen. Flexibilität soll über Zuschaltbarkeit von Räumen erreicht werden. Es ist ein Gästezimmer geplant, auch Werkstätten, Büro- und Geschäftsräume sollen errichtet werden. Jede Wohneinheit soll einen eigenen Freibereich in ruhiger, sonniger Lage haben.

Die interessierten Frauen haben mittlerweile einen Verein gegründet, der neben der Initiierung, Planung und Durchführung von Frauenwohnprojekten in Wien angesichts der schwierigen Situation auch den Austausch und die Vernetzung mit anderen (Frauen-) Wohnprojekten zwecks gegenseitiger Unterstützung sucht.

Vielleicht ändern sich die Zeiten ja noch mal und kooperative Wohnprojekte können in Wien dann auch für Gruppen erreichbar sein, die weniger Geld, gute Kontakte und weniger Durchhaltevermögen haben als die bisher erfolgreichen. Wie es mit [ro*sa] weitergeht, kann man unter www.graubunt.com (www.partizipation.at) mitverfolgen.

Andrea Breitfuss ist Stadtplanerin und Beraterin in Wien.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 11(2004), Hamburg