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Artikel Bodenpolitik/Grundstücke Wohnungspolitik

WEP 2.0

Trotz WEP noch keine Wende

*** von Tobias Behrens ***

Im Mai 2009 hat der Senat den ersten Wohnungsbauentwicklungsplan (WEP) für Hamburg beschlossen. In der letzten FreiHaus ist über diesen Plan ausführlich berichtet worden und es verbanden sich damit Hoffnungen, dass nun in Bezug auf die Wohnungsbaupolitik im allgemeinen und die Wohnprojekte im Besonderen der Hebel umgelegt und deutlich mehr Projekte umgesetzt und Wohnungen errichtet werden.

Der Wohnungsbauentwicklungsplan sieht u.a. vor, im 3. Quartal 2010 einen Bericht vorzulegen, in dem die Ergebnisse und Erfolge bzw. Hemmnisse dargelegt werden. Dieser Bericht ist zur Zeit in der behördlichen Abstimmung und es sickern die ersten Ergebnisse durch. Danach kann von einer Trendwende zur Zeit noch nicht die Rede sein. Die Zahl der neu gebauten Wohnungen hat sich in Hamburg im Jahr 2009 im Vergleich zum Vorjahr nur unwesentlich verändert. Es sind in 2009 ca. 3.700 Wohnungen neu gebaut worden, laut WEP wären aber 5.000 bis 6.000 neue Wohnungen jährlich notwendig.

Um diese Misere zu beseitigen hat der Senat sich im Sommer dieses Jahres dazu entschlossen, die Stelle eines Wohnungsbaukoordinators neu einzurichten. Sie steht in der Tradition des Wohnungsbaubeauftragten (der 2002 vom Senat der CDU-FDP-Schill-Partei-Koalition abgeschafft worden war) und des Flächenkoordinators, der in den letzten Jahren aus der BSU heraus versucht hat, zusätzliche Wohnungsbauflächen in Hamburg zu entwickeln. Nachdem der Flächenkoordinator Dr. Torsten Sevecke Anfang 2010 Bezirksamtleiter in Eimsbüttel wurde, sah sich die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) in der Lage, hier eine neue Stelle zu schaffen. Mit Michael Sachs, bis vor wenigen Monaten Vorstandsmitglied der SAGA kurz vor dem Ruhestand, hat die BSU einen bekannten Wohnungsbauexperten gefunden, der auch als SPD-Politiker jahrelang in diesem Feld aktiv war. Seine Aufgabe ist es jetzt, zunächst bis zum Ende der Legislaturperiode den Wohnungsbau in Hamburg anzukurbeln. Ob ihm dies gelingen wird, zumal er mit keinerlei Entscheidungskompetenzen ausgestattet wurde und nur moderierend aktiv werden kann, bleibt abzuwarten.

Die Umsetzungsebene fehlt

Generell wird jetzt, nachdem der WEP rund ein Jahr vorliegt, seine grundsätzliche Schwäche deutlich: Es sind gute, weitsichtige und nachhaltige Ziele und Absichten formuliert. Allerdings wird nur sehr selten dargelegt, wie diese Ziele erreicht und welche Instrumente dafür entwickelt werden müssen. Die sogenannte Operationalisierungsebene fehlt völlig. Vor allem fehlt eine kritische Auseinandersetzungen mit dem Umsetzungshemmnissen und die Entwicklung gezielter Maßnahmen dagegen.

STATTBAU HAMBURG hat z.B. zum Thema Akzeptanz von Passivhäusern der Behördenleitung konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die tiefsitzenden Vorbehalte breiter Teile der Wohnungswirtschaft gegen das Passivhaus aufgelöst werden können. U.a. wurde vorgeschlagen, von Seiten der BSU einen Ansprechpartner für technische Fragen zu installieren, einen Arbeitskreis für juristische Fragen aufzubauen, ein Benchmarking-System aufzubauen, um die tatsächlichen Einsparungseffekte zu ermitteln und Informationsmaterialien für die Nutzer zu entwickeln. Das Schreiben wurde nicht beantwortet.

Grundstücke für Baugemeinschaften

Auch im Bereich der Baugemeinschaften ist seit der Einführung des WEP noch keine Entspannung in Sicht. Nach wie vor ist die Nachfrage nach Baugemeinschaften groß. Aber immer noch werden sehr wenig Grundstücke angeboten und wenn Grundstücke auf den Markt kommen, dauert es sehr lange, bis Anhandgaben ausgesprochen werden oder überhaupt die Voraussetzungen für Gruppenbewerbungen geschaffen worden sind. Für manche Gruppe, die bei der Agentur für Baugemeinschaften auf der Interessentenliste steht, dauert so eine Wartezeit zu lange. Sie löst sich vorher auf, weil die Realisierbarkeit ihrer Bauvorhaben unklar bleibt und weil in den Familien Entscheidungen getroffen werden müssen, über anstehende Umzüge, Einschulungen etc.

Bis heute sind noch nicht alle Grundstücke der Wohnungsbauoffensive 2 aus dem Jahr 2008, die für Baugemeinschaften vorgesehen waren, an Gruppen vergeben worden (GUB = ehem. Gymnasium Uhlenhorst Barmbek, Pestalozzi Quartier St. Pauli). Bei einem der wenigen in 2009 vergebenen Baugemeinschafts-Grundstücke, Holstenkamp, ist im Juni 2009 die Ausschreibung der Agentur rausgeschickt worden. Bis August 2010 lag der ausgewählten Gruppe noch keine Anhandgabe vor, d.h. es konnte mit den Planungen noch nicht begonnen werden.

Struktur der Baugemeinschaften

Die Art der Baugemeinschaften hat sich in den letzten Jahren verändert. Waren seit Mitte der Achtziger bis Anfang der 2000er Jahre die Kleingenossenschaften deutlich in der Überzahl, haben sich jetzt drei verschiedene Gruppen herausgebildet. Am stärksten sind die Eigentümergemeinschaften vertreten, die zur Zeit ca. 60% der aktuell in Planung und im Bau befindlichen Projekte ausmachen. Die Projekte unter dem Dach einer Traditionsgenossenschaft machen zur Zeit über 20% aus. Die kleingenossenschaftlichen Projekte liegen deutlich unter 20%. Nachdem die letzten kleingenossenschaftlichen Projekte 2008 fertiggestellt wurden (Strese 100, Wohnprojekt Brennerei und Wohnprojekt Iserbrook der Brachvogel eG) sind Mitte 2010 immerhin vier Projekte in Bau: Inter Pares, die beim Miethäusersyndikat organisiert sind, Stattschule eG in der Virchowstraße, Baugemeinschaft Schipperort mit der Schanze eG und die Gruppe Gure Etxea im Paulinenhof mit Ecken und Kanten eG.

Baugemeinschaftsquartier

Vor dem Hintergrund dieser für Baugemeinschaften unbefriedigenden Grundstückssituation hat STATTBAU Anfang 2010 in die Koordinierungsrunde Baugemeinschaften den Vorschlag eines „Siedlungsquartiers Baugemeinschaften“ eingebracht.

Ausgangspunkt dieser Idee ist die Überzeugung, dass auch Stadtteile, die bisher nicht im Fokus von Baugemeinschaften lagen und in denen von der Agentur angebotene Grundstücke bislang keine Abnehmer fanden, unter bestimmten Rahmenbedingungen dennoch für Baugemeinschaften attraktiv werden könnten. Eine dieser Bedingungen sollte die Ansiedlung von mehreren Baugemeinschaften in einem neuen Siedlungsgebiet sein. Durch die Ansiedlung von mehreren Baugemeinschaften in unmittelbarer Nachbarschaft soll also eine Attraktivitätssteigerung (der aus Sicht der Baugemeinschaften vermeintlich unattraktiven Stadtteile) erreicht werden.

In Hamburg gibt es Quartiere, in denen sich auch in der Vergangenheit viele Baugemeinschaften gern in Nachbarschaft zu anderen angesiedelt haben, z.B. Zeise-Wiese, Parkquartier Friedrichsberg. Auch die Gegend rund um die Chemnitzstrasse kann als solches Quartier bezeichnet werden; hier haben sich in den vergangenen rd. 20 Jahren in unmittelbarer Umgebung fast zehn Projekte angesiedelt.

Allerdings liegen diese Grundstücke in sehr gefragten Stadtlagen. Dass dies aber nicht unbedingt eine Voraussetzung für die erfolgreiche Ansiedlung mehrerer Baugemeinschaften sein muss, zeigt das Projekt Allmende in Wulfsdorf (zwischen Volksdorf und Ahrensburg in Schleswig-Holstein). Dort haben sich in den Projekten Allmende, Borneck und Wilde Rosen über einen Zeitraum von knapp 10 Jahren inzwischen ca. 200 Haushalte angesiedelt.

In der Agentur für Baugemeinschaften und anderen Abteilungen der BSU stieß diese Idee auf breite Unterstützung, allerdings konnte das Immobilienmanagement noch kein Grundstück, welches für eine solche Idee geeignet wäre, anbieten.

Um diese Idee zu diskutieren und weiter zu entwickeln wird es bei den 9. Hamburger Wohnprojektetagen 2010 hierzu einen Workshop geben.

Tobias Behrens ist Geschäftsführer von STATTBAU HAMBURG GmbH.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 17(2010), Hamburg