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Artikel Bodenpolitik/Grundstücke

Wieder einmal: die Bodenfrage stellen!

Neues Bodenrecht für bezahlbaren Wohnraum

*** von Rosemarie Oltmann ***

STATTBAU München lud Mitte des Jahres zu einer interessanten Veranstaltung ein: es ging dabei um Grund und Boden, ein besonders Gut, die für das menschliche Dasein eine unverzichtbare Grundlage darstellt zudem nicht produzierbar so nicht vermehrbar ist.

Inspiriert war die Veranstaltung unter anderem von Aussagen von Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochen Vogel, in den 70er und 80er Jahren ehemaliger Bürgermeister von Berlin und München, SPD Vorsitzender und Bau- und Justizminster der Bundesregierung, aus dem Jahre 1972, der in einem Artikel das Bodenrecht zur Diskussion stellte:

„Unser Bodenrecht geht in seinen Ursprüngen auf Grundzüge des römischen Rechts zurück, die im 19. Jahrhundert vom Liberalismus fortentwickelt und in die heute geltende Fassung gebracht wurden. Es behandelt den Grund und Boden im Prinzip wie jede andere Ware, läßt den Preis nach Marktgrundsätzen durch Angebot und Nachfrage bestimmen und beläßt Bodenwert und Bodenrente im wesentlichen dem jeweiligen Privateigentümer“. Weiter: „Die rasch ansteigenden Bodenwertzuwächse und die ebenso rasch ansteigenden Bodenrentenerträge konzentrieren sich in wenigen Händen“.1)

1) Neuen Juristischen Wochenschrift, 1972, Heft 35, Seite 1544 ff

DIES IST EINE GROSSE UNGERECHTIGTKEIT!

Diese Äußerungen sind heute so aktuell wie damals. Es lässt sich sogar behaupten: Es hat sich nichts verändert. Christian Ude, ehemaliger Oberbürgermeister von München sagt: Eine Bodenreform hat seit einem halben Jahrhundert nicht stattgefunden, sie ist nicht wahlkampftauglich, sie ist aus den Augen verloren gegangen.

Christian Stupka von STATTBAU München referiert über München, dass 2010 der Baupreis aus 30% Boden und 70% Baukosten pro Quadratmeter bestand, heute allerdings aus 60% Boden und 40% Baukosten. Eigentumswohnungen mit dem Baujahr 1955 werden im Münchener Stadtzentrum derzeit für über 8.000 EUR pro Quadratmeter verkauft.

Alle großen Städte sowie Ballungsräume stehen vor ähnlichen Problemen. Steigende Bodenpreise und Baukosten bedeuten, dass sich Immobilien nur die jenigen leisten können, die ein oberes Einkommen haben.

Gleichzeitig stehen Städte und Gemeinden vor der Situation, dass die Wohnraumversorgung von Haushalten mit geringen und mittleren Einkommen immer schwieriger wird, da die hohen Preise zu geringen Mieten nicht mehr darstellbar sind.

Ein Dilemma. Die Politik ist gefragt Antworten zu finden.

Einige große Städte gehen wieder dazu über, Grundstücke im Wege von Erbbaurechten (Verkauf von Grundstücken auf Zeit) zu vergeben, damit bezahlbarer Wohnraum möglich wird. Der anteilige Kaufpreis richtet sich dann nach dem Vekehrswert und der Laufzeit des Erbbaurechts, z.B. 70 Jahre = 70%), Ein gangbarer Weg, welcher allerdings den privaten Verkauf von Grund und Boden völlig unberührt lässt.

An weiteren Vorschlägen für eine soziale gerechte Bodennutzung mangelte es in dieser Veranstaltung nicht. Themen wie die Nutzung steuernder Instrumente wie städtebauliche Verträge wurden diskutiert. Käufer könnten darin mit dem Erwerb eines Grundstücks zu Abgaben für öffentliche Zwecke verpflichtet werden.

Oder man nutze den Hebel einer neuen Bodenwertzuwachssteuer 2), hier stellt sich die Frage, warum Immobilienvermögen leistungslos (keine Abgabe von Steuern) stetig Vermögenszuwächse generieren können?

Außerdem könnte die Reform der Berechnungsgrundlagen der Grundsteuer eine andere Bodennutzung begünstigen. 3)

Christine Thalgott, ehemalige Stadtbaurätin aus München, die auf der Veranstaltung ebenfalls anwesend war, äußerte sich in der Zeitschrift des vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V. dazu wie folgt:

„Eine zeitnah bewertete Grundsteuer die auch share-deals besteuert, und eine Vermögenssteuer, die auch den Wert von Grundstücken einbezieht, würden schon mehr Gerechtigkeit schaffen. … Eine Bodenwertzuwachssteuer könnte sich dann erübrigen“.4)

4) Prof. Dr.-Ing. E.h. Christiane Thalgott, München, vhw, Heft 3, Mai – Juni 2017

Diese Handlungsansätze können Grundlage für weitergehenden Diskussionen für ein neues Bodenrecht sein. Ziel solcher weiteren Überlegungen sollte sein, dem privaten Verkauf von Grundstücken in Ballungsräumen– und nicht nur dort – zu Höchstpreisen Regeln zu geben und Grenzen zu setzen, die sich am Gemeinwohl orientieren.

Obwohl in der Politik hierfür vielfach ein Gerechtigkeitsdefizit erkannt wird, ist der politische Wille, hier etwas zu verändern, nur in begrenztem Umfang vorhanden. Denn es könnte die Gefahr bestehen, dass auch der „kleine Mann“ oder die „kleine Frau“ zur Kasse gebeten wird. Dabei wird dann leider auch die Möglichkeit vertan, durch besondere Steuern oder Abgaben die zum Teil erheblichen Wertzuwächse in den Händen der Grundbesitzer der Allgemeinheit zuzuführen und dadurch einen gerechten Ausgleich zu schaffen.

So könnte es möglich sein, dass der Artikel von Dr. Hans-Jochen Vogel aus dem Jahre 1972 auch 2017 immer noch aktuell sein wird.

2) Die Bodenwertzuwachssteuer wurde der Diskussion zu Folge auch in den 70er Jahren diskutiert und in der Münchener Veranstaltung erneut aufgeworfen. Hintergrund der Steuer ist, dass diese gegebenenfalls als laufende Steuer auf den Wertzuwachs des Bodens erhoben werden könnte.
3) Bewertung Stand 20.06.1948: die Grundsteuer ist Bestandteil von Betriebskostenabrechnungen und wird somit ebenso von Mietern getragen.

 Rosemarie Oltmann ist Mitarbeiterin bei STATTBAU HAMBURG.

Erbbaugrundstücke wieder attraktiv!

Der Landesbetrieb Immobilienmanagement veröffentlichte
im Februar 2017 folgenden Text auf seiner Internetseite:

„Die Stadt vergibt Erbbaurechte an Wohnungsgrundstücken sowie Wohnfolgeeinrichtungen grundsätzlich für 75 Jahren an alle anderen Grundstücke – insbesondere Gewerbegrundstücke – für 60 Jahre. Der Erbbauberechtigte kann dabei wählen zwischen einem Einmalentgelt (75% des Bodenwertes) oder einem laufenden Erbbauzins.“

„Vor dem Hintergrund des niedrigen aktuellen Zinsniveaus hat der LIK im Februar 2017 mit Zustimmung der Kommission für Bodenordnung die bei Neuabschluss von Erbbaurechtsverträgen zu zahlenden Erbbauzinssätze abgesenkt. Der laufende Erbbauzins für die Wohnnutzung beträgt nunmehr 2,1% des Bodenwertes per annum, für eine gewerbliche Nutzung 2,3% des Bodenwertes per annum. Der Barwert der Erbbauzinszahlungen über den gesamten Vertragszeitraum entspricht den Einmalentgelten unter Berücksichtigung des derzeitigen Zinsniveaus.“

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 22(2017), Hamburg