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Wohnen auf einem von privater Hand entwickeltem Grundstück

Zum Planungsstand der Quartiersentwicklung auf dem Gelände der Holstenbrauerei

*** von Mascha Stubenvoll ***

Kommt man heute am Gelände der ehemaligen Holstenbrauerei vorbei, hat sich äußerlich noch nicht viel verändert. Doch ja, man sieht, dass dort niemand mehr ein und ausgeht … Die Brauerei mit ihrer Produktionsstraße wurde schone Ende 2019 in den Süden von Hamburg, nach Hausbruch, verlagert.

Jedoch sind die Planungen für die Nachnutzung des Geländes in vollem Gange: Beginn des Abrisses der meisten Bestandsgebäude ist für den Herbst dieses Jahres vorgesehen, und soll in etwa einem Jahr, also im Sep. 2021 abgeschlossen sein. Dann wird nur noch das Sudhaus (Gebäude mit dem Holstenreiter auf der Dachspitze), das direkt angrenzende Malzsilo, der gegenüberliegende Juliusturm, sowie die unter Denkmalschutz stehende Schwankhalle von der ehemaligen Existenz einer Brauerei an diesem Standort zeugen.
Das Roulette der Eigentümer hat sich in diesem und dem vergangenen Jahr fleißig weitergedreht: Die Aktiengesellschaft SSN Group wurde Ende 2018 von der Consus AG (später der Consus Real Estate AG) geschluckt. Im Frühjahr 2020 wurde dann wiederum die Gesellschaft weiterverkauft an die ADLER Real Estate AG. Die Consus RE AG ist nun eine Tochter der ADLER RE AG und für die Entwicklung des Holstenquartiers zuständig.
Aktuell verhandelt der Bezirk Altona den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Consus RE AG und der FHH, in dem die städtebaulichen Anforderungen und Nutzungsvorgaben aus dem Letter of Intent (LOI) von 2016 konkretisiert und fixiert werden sollen.
Der Bezirk Altona hat die Planung für das Holstenareal engagiert betrieben, unter anderem wurde die Arbeitsgruppe Team inklusives Holstenquartier (TiH)1 eingebunden, die sich für einen inklusiv ausgerichteten Stadtteil einsetzt und hierfür Ideen und Konzepte entwickelt hat2. Diese wurden auch von der Politik, durch verschiedene Beschlüsse der Bezirksversammlung unterstützt.

BLICK AUF DAS INKLUSIVE WOHNEN

Um die Vorstellung einer inklusiven Quartiersentwicklung praktisch und bedarfsorientiert umzusetzen, hatte der Bezirk Altona 2019 soziale Träger und Bauherrn, die Interesse an der Realisierung inklusiver Wohn- und Versorgungsangebote im Holstenquartier haben, angesprochen und einen Kontakt mit der Entwickler Consus RE AG als Entwicklerin organisiert.
Hierbei zeigte sich, wie unterschiedlich die Vorstellungen und auch das Wissen um Bedarfe der sozialen Träger und rechtlichen und organisatorische Anforderungen an Räume und Wohnungen für inklusive Angebote bei den Trägern auf der einen und dem Entwickler auf der anderen Seite waren.
Nachdem bei dem ersten Treffen zwischen der Consus RE AG und den interessierten Trägern diese Widersprüche offen zu Tage traten, wurde im weiteren Verlauf in mehreren Treffen der Träger untereinander, der Träger mit dem Entwickler und in Einzelgesprächen letztendlich von Consus RE AG ein Vorschlag ausgearbeitet, auf welchen der neun geplanten Baufelder die inklusiv ausgerichteten Angebote umgesetzt werden könnten. Dieser Vorschlag hat die Zustimmung auf Seiten des Bezirks aber auch der Träger gefunden.
Derzeit ist es vorgesehen, dass neun Träger Wohn- und Betreuungsräume für Menschen mit Pflege- und oder Assistenzbedarf anbieten, und das für unterschiedliche Altersgruppen.
Der nächste Schritt ist die Umsetzung der Planung. Abzustimmen ist dabei beispielsweise, wie die Konzepte auch mit den Förderbedingungen der Hamburger Investitions- und Förderbank (IFB) zusammengebracht werden. Denn eins ist klar, solche Angebote müssen zumeist im geförderten Segment umgesetzt werden. Das bedeutet wiederum, dass die Consus RE AG ihre Planung auch auf die Förderbedingungen abstimmen muss. Momentan scheinen hier die Weichen gestellt zu sein. Dies sollte aber weiterverfolgt werden.
Mit Blick auf gesamtstädtische Quartiersentwicklungen ist zu kritisieren, dass die Interessen von Trägern von Wohn- und Betreuungsformen zu wenig berücksichtigt werden und deren Einbeziehung nicht regelhaft zum Planungsbeginn erfolgt. Das gilt besonders für Institutionen, die Wohnraum für vordringlich Wohnungssuchende realisieren wollen.
Im Holstenquartier sind mehrere interessierte Stiftungen, die Baufelder erwerben wollten, um ihre inklusiven Konzepte (auch für vordringlich Wohnungssuchende) umzusetzen, nicht zum Zuge gekommen. Insgesamt hätten hier durch soziale Bauherren fast 250 Wohnungen für vordringlich Wohnungssuchende oder inklusive Angebote realisiert werden können. Diese Chance konnte nicht genutzt werden. Die Consus RE AG lehnt einen Verkauf von Baufeldern ab, sondern möchte alle Entwicklungen selbst steuern. Auf diese Entscheidung kann auch das Bezirksamt Altona nicht einwirken.
Obwohl der Bezirk Altona also einen zumindest in Teilen erfolgreichen Beteiligungsprozess initiiert hat, zeigt sich, dass der Zeitpunkt für eine weitreichendere Einflussnahme schon verstrichen war. Die Flächen gehören mit der Consus RE AG einem privaten Entwickler, und das, was im LOI von 2016 nicht erfasst, damals noch nicht bekannt oder nicht ausreichend konkret beschrieben wurde, kann jetzt nur noch in zähem Ringen und in begrenztem Umfang in den öffentlich-rechtlichen Vertrag hineinverhandelt werden.
Folgerichtig hat die Bezirksversammlung Altona im Januar 2020 beschlossen, durch die Finanzbehörde prüfen zu lassen, ob die 5-10 % der Flächen, die für inklusive Angebote bereitgestellt werden sollten, durch die FHH angekauft werden könnten. Denn dann wäre es um einiges einfacher, die gewünschten Ziele umzusetzen. Für die Entwicklung im Holstenquartier war die Umsetzung dieser Idee allerdings nicht mehr möglich.
Grundsätzlich wären Prozesse von einer sozial ausgewogeneren Stadtteilentwicklung erfolgreicher, wenn die Stadt sich die Entwicklung ihrer begrenzten und damit so wertvollen Flächen nicht aus der Hand nehmen lassen würde.
Eine positive Entwicklung ist allerdings, dass die Anfrage des Bezirksamts gegenüber der interessierten sozialen Träger dazu führte, dass die Träger, die konkrete Angebote im neuen Quartier umsetzen wollen, miteinander ins Gespräch kamen und gemeinsam auftraten.
Derzeit wird die Entwicklung eines Trägerpools diskutiert. Die Träger haben gegenüber dem zukünftigen Vermieter ein Vorschlagsrecht bei freiwerdenden Wohneinheiten. Sollte ein Träger die Wohneinheit nicht durch eigene Interessenten belegen können, könnte sie in den Trägerpool gestellt, dafür sorgen, dass ein anderer Träger die freie Wohneinheit für einen Klienten nutzen kann.
Außerdem werden weitere Synergien geprüft, die den Trägern nutzen, um im Holstenquartier ein insgesamt gutes Angebot schaffen zu können. Dies kann über die gemeinsame Anmietung von Büroräumen bis hin zu einem gemeinsamen Quartiersnachtdienst gehen.

Mascha Stubenvoll ist Mitarbeiterin bei STATTBAU HAMBURG und der Hamburger Koordinationsstelle für Wohn-Pflege-Gemeinschaften und engagiert sich im Team inklusives Holstenquartier.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 25(2020), Hamburg