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Wohnen bleiben als Puzzleteil in inem Bahrenfeld-West für alle

Planungs- und Beteiligungsprozess für Inklusion und soziale Teilhabe in der Science City Hamburg Bahrenfeld

*** Anne Vogelpohl und Lea Gies ***

Neubauquartiere spiegeln immer gesellschaftliche Herausforderungen wider: Welcher Wohnraum wird in welchem Umfang für wen und von wem geschaffen? Wo liegen die Quartiere? Was entsteht außer Wohnungen? Oder: Welche Infrastrukturen, Dienstleistungen und Netzwerke braucht ein Quartier in einer alternden Gesellschaft?

In Hamburgs Westen entsteht derzeit die „Science City Hamburg
Bahrenfeld“. Diese wird kein reiner Wissenschaftsstandort, sondern auch eine neue Nachbarschaft für ca. 7.600 Bewohner*innen.
Das neue Quartier erweitert den Stadtteil Bahrenfeld und ist auch eine Chance für mehr soziale Nachhaltigkeit. „Altern“ und „Wohnen bleiben im Quartier“ sind dabei wichtige Puzzleteile.
Für die soziale Entwicklung des Stadtteils arbeiten die „drei Qs“ in Bahrenfeld eng zusammen:

  1. die Quartiersinitiative urbanes Leben (QuL) des Bezirksamts Altona, die die Science City mit ganz Bahrenfeld-West
    als einen robusten Sozialraum zusammendenkt und verschiedene Fachämter in Bezirk und Stadt einbindet
  2. Q8 Altona bringt als Initiative der Ev. Stiftung Alsterdorf Expertise für inklusive Quartiersentwicklung und willens-
    orientierte Partizipation sowie Kontakte zur organisierten Selbstvertretung wie dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen mit
  3. das Quartiersmanagement, das seit 2016 für das Thema Geflüchtete in Bahrenfeld unterwegs ist und viel Stadtteilwissen sowie Kontakte zu den Menschen in den Unterkünften und sozialen Trägern vor Ort mitbringt.

    Zusammen haben Anne Vogelpohl, Lea Gies und Nathan Arileshere – die Personen hinter den drei Qs – einen Prozess für Inklusion und soziale Teilhabe in Bahrenfeld initiiert.

    Inklusion und soziale Teilhabe – was ist damit gemeint?
    Auch wenn die Begriffe Inklusion und Teilhabe auf den ersten Blick unnötig gedoppelt erscheinen, ist es uns wichtig, beide Begriffe zu nutzen. Denn es geht uns sowohl um individuelle Bedürfnisse im Alltag, als auch um gesellschaftliche Strukturen in den Feldern Bildung, Arbeit, Kultur, Politik und um ein Leben sowohl nach den eigenen Bedürfnissen, als auch in Gemeinschaft mit anderen. In der Quartiers-entwicklung in Bahrenfeld-West sollen dabei auch die Menschen mit hohen gesellschaftlichen Teilhabebarrieren (stellvertretend) einbezogen werden, die wenig organisiert sind und kaum eine Lobby haben. Dazu zählen z.B. arme Menschen, Geflüchtete oder auch ältere Kinder. So auf Quartiere zu blicken, schafft Chancen für viele.

    „Wohnen bleiben“ als Frage der Quartiersentwicklung
    Wenn es um Möglichkeiten geht, als älterer Mensch oder Mensch mit Einschränkungen in einer eigenen Wohnung wohnen zu bleiben, ist es wichtig, neben der Alterstauglichkeit der Wohnung, die Qualitäten der Nachbarschaft auf den Prüfstand zu stellen. Dabei wird sichtbar, dass viele Bedarfe nicht nur einen Personenkreis betreffen und soziale Angebote sich synergetisch stärken können: das Zusammenspiel von Beratungs- und Bewegungsangeboten, von Begegnungs- und Rückzugs-orten, von selbstorganisierten und professionellen Strukturen, von Fuß-, Fahrrad- und öffentlichem Verkehr etc. Daher lässt sich sagen: Was für alte Menschen gut ist, ist oft für alle gut. Der Blick auf einzelne Menschen und ihre Herausforderungen hilft dabei, neue Ideen für immer bessere Inklusion und Teilhabe zu entwickeln.

    Beteiligungsprozess im Rahmen der Reihe „Inklusive und soziale Entwicklung in Bahrenfeld-West“
    Die Anforderung, auch „das Soziale“ für die Science City zu planen, wurde von der Zivilgesellschaft und sozialen Trägern in Bahrenfeld schon früh gefordert. Die drei Qs haben dafür einen Prozess gestartet und Veranstaltungen unter dem Titel „Inklusive und soziale Entwicklung in Bahrenfeld-West“ konzipiert.
    Zu den Treffen werden soziale Träger, soziale Bauherren und Interessensvertretungen, aber auch die Science City GmbH als zuständige Projektentwicklungsgesellschaft sowie Fachbehörden eingeladen. Eine Grundannahme ist, dass nur die Akteure, die den Alltag der Menschen mit hohen Teilhabebarrieren kennen oder selbst betroffen sind, eine Agenda der sozialen und inklusiven Quartiers-entwicklung aufstellen können. Einige dieser Akteure sind nur in Bahrenfeld aktiv, andere stadtweit, so dass lokale und hamburgweite Entwicklungen verknüpft werden.
    Die Idee dieses Prozesses ist sofort auf fruchtbaren Boden gefallen. An den Treffen nahmen jeweils rund 30 Personen aus den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe, Pflege und Senior*innenarbeit, Einglie-derungshilfe, Geflüchtetenhilfe sowie Arbeit und Beschäftigung teil. Sechs Hauptgründe wurden genannt, warum sie den Prozess mitgestalten möchten:

    1. Möglichkeiten schaffen, Betroffene selbst zu Wort
    kommen zu lassen
    2. Sichtbarkeit für die eigenen Themen herstellen
    3. Informationen über die Entwicklung Bahrenfelds
    und der Science City erhalten und Ansprechpersonen kennenlernen
    4. Interdisziplinäre Probleme interdisziplinär angehen –
    mit den Akteuren des Netzwerks Fachgrenzen und Zuständigkeiten überbrücken
    5. Sich aktiv mit konkreten Maßnahmen zum richtigen
    Zeitpunkt in die Quartiersplanung einbringen
    6. Soziale Innovationen denken

    Die Themen der Akteure sind so vielfältig wie die Akteure selbst. Es geht um Räume, um Fachkräftemangel, um Beratungs- und Unter-stützungsangebote, um Finanzierungsmöglichkeiten, um bauliche Aspekte, um das Miteinander in der Nachbarschaft, um Strukturen, um Haltung und um Partizipation.
    Einige Problemstellungen wurden noch abstrakt formuliert, für andere sind bereits konkrete Maßnahmen vorgeschlagen worden. Das gilt es nun zu sortieren.
    Um einen gut funktionierenden Prozess zu gestalten, bei dem keines der Themen verlorengeht, hat sich eine Strategie-Gruppe gegründet. Vier Personen aus vier unterschiedlichen Institutionen haben sich bereiterklärt, über den Prozess selbst, über geeignete Ergebnisformate und deren Verankerung nachzudenken. Begleitet und unterstützt
    werden sie weiterhin von den drei Qs.

    Chancen und Herausforderungen des Prozesses für „Wohnen bleiben im Quartier“
    Vier dringliche Themen kristallisieren sich derzeit heraus: inklusive Kitas, psychosoziale Gesundheit, Bildungslandschaft und moderne medizinischpflegerische Konzepte. Die Möglichkeit, als älterer, vielleicht pflegebedürftiger Mensch mit Einschränkungen im eigenen Quartier wohnen zu bleiben, liegt quer zu diesen Themen. Es geht nicht nur um eine barrierefreie Wohnung, sondern um das Quartier um die Wohnung herum, welches Bildungs-, Therapie-, Assistenz- und Pflegeangebote sicherstellt. Darüber hinaus werden niedrigschwellige Begegnungsorte im Freien sowie in einem Quartierszentrum gefordert.
    Dieses Wissen ist da. Wie kommt es nun aber in die Umsetzung? Denn da müssen Hürden überwunden werden:

    – ungleichzeitige Planungshorizonte: Soziale Träger
    und Betroffene wollen sofort handeln; Stadtplanung bedarf jedoch mehrerer Jahre bis Jahrzehnte
    – Finanzierung der Quartiersangebote, die über die private Vorsorge und über Rechtsansprüche hinausgehen
    – Berücksichtigung von Neubau und Bestand, von Neuhinzuziehenden und der jetzigen Bahrenfelder Bevölkerung
    – Klärung der Verantwortlichkeiten für soziale Angebote zwischen privaten sowie zivilgesellschaftlichen Netzwerken, professionellen (privaten) Organisationen und staatlichen Institutionen

    Das entstehende Netzwerk als Teil des Prozesses „Inklusive und soziale Teilhabe in BahrenfeldWest“ soll den Weg der konkreten Umsetzung gestalten. Die vielfältige Zusammensetzung der Gruppe ermöglicht dabei, Verständnis für die unterschiedlichen Herausforderungen aller Beteiligten zu generieren und Potenziale für Synergien zu erkennen. Das große Interesse der Beteiligten lässt erwarten, dass ein konti-nuierlicher Dialog entsteht und der Austausch in konkrete Empfehlungen mündet. Einige der Akteure können später auch
    selbst Teil der Umsetzung sein, indem sie beispielweise sozialen Wohnraum oder Angebote für Menschen mit Demenz schaffen.
    Übergeordnetes Ziel ist ein innovativer Prozess bei dem (erstmal) groß gedacht werden darf und sich nach und nach die Bausteine verfestigen, die sich im weiteren Verlauf zu einer inklusiven und sozialen Science City als Teil von Bahrenfeld-West zusammensetzen.