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Die Bremer Beginen

*** von Erika Riemer-Noltenius ***

Unter dem Motto „Frauen schaffen Zukunft“ arbeiten seit April 1997 engagierte Bremerinnen an der Realisierung eines Projektes, das an die mittelalterliche Tradition der Beginenkultur anknüpft.

Was sind Beginen ?

Beginen waren alleinstehende Frauen, die nicht in ein Kloster gehen wollten und für sich auch den Ehestand ablehnten. Viele der Beginen waren Witwen. Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, woher der Name „Begine“ stammt. Fest steht allerdings, dass sich die Beginenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert in ganz Europa ausbreitete. Eine der Ursachen waren die vielen Kreuzzüge, die einen Frauenüberschuss verursachten. Die Beginenkultur entwickelte sich bis zur Reformation. Mit der Auflösung vieler Klöster nach der Reformation verschwanden auch die Beginenhöfe in Deutschland.

Für heutige alleinstehende Frauen ist die Wiederbelebung der Beginenkultur von großem Reiz, denn sie verbindet Unabhängigkeit und Autonomie mit der Verbundenheit in einer Gemeinschaft gleichgesinnter Frauen.

Wohnraum und Arbeitsplätze für Frauen

Das Ziel des Bremer Beginenhof-Modells ist es, Wohnraum und Arbeitsplätze für Frauen zu erstellen. Der Gemeinschaftsgedanke greift die Idee der Wahlverwandschaft auf: Alle Beteiligten, ob jung oder alt, fühlen sich solidarisch und werden sich gegenseitig helfen und unterstützen. Mit diesem Konzept soll Einsamkeit und Isolation überwunden und eine generationsübergreifende Lebensform realisiert werden.

Ganz entscheidend für das Gelingen des Beginenprojektes ist , dass sich die Beteiligten schon vor dem Einzug kennenlernen. Um dies zu erreichen, wurden mehrere Arbeitsgruppen gebildet, in denen verschiedene Schwerpunkte behandelt werden. Außerdem werden regelmäßige Treffen veranstaltet. Allen Frauen, die an dem Beginenprojekt mitwirken, ist bewusst, dass es sich um einen fortlaufenden Prozess handelt. Die Entwicklung einer solidarischen Lebensform wird niemals abgeschlossen sein.

Mit Gästehaus und Schwimmbad

Der Architektenentwurf, entwickelt von Alexandra Czerner, Vorsitzende des BDA im Landesverband Hamburg, sieht insgesamt vier Gebäude vor, in denen 67 Wohneinheiten errichtet werden. Die Gebäude haben in der Regel drei Etagen. Das Erdgeschoss ist für Gewerbeflächen reserviert. Existenzgründerinnen, vorwiegend aus dem Dienstleistungsbereich, können hier ein Geschäft, Büro oder eine Praxis eröffnen. Es wird ein Gästehaus und ein Schwimmbad geben, außerdem einen Kindergarten und einen großen gläsernen Wintergarten für Gemeinschaftsveranstaltungen. Alle Wohnungen werden schwellenfrei gebaut und sind mit einem Aufzug zu erreichen.

Angestrebt wird ein weitgehend autofreies Projekt. Die Bewohnerinnen werden zum größtenTeil auf ein eigenes Auto verzichten. Trotzdem wird es eine Tiefgarage mit über 50 Stellplätzen geben. Auch ein Fahrradkeller ist vorgesehen. Die Verwendung umweltgerechter Baumaterialien ist selbstverständlich. Das Projekt steht in der Hardenbergstrasse/Ecke Kirchweg in der Bremer Neustadt.

Referenzprojekt für die Expo 2000?

Das Bremer Beginenhof-Modell gilt als eine in die Zukunft gerichtete soziale Innovation und ist eine Ergänzung zu den bestehenden Familienstrukturen und Altersheimen. Die soziale Mischung der Bewohnerinnen wird angestrebt durch die Aufteilung der Wohneinheiten in Eigentumswohnungen, Mietwohnungen und öffentlich geförderten Wohnungsbau.

Dieses Konzept wird von politischer Seite begrüßt, denn es entspricht den Kriterien der Agenda 21 für eine nachhaltige Entwicklung. Auch die Bundesjury der Expo 2000 hat das Bremer Beginenhof-Modell zur Registrierung empfohlen.

Verantwortlich für die Realisierung des Projektes ist die im Februar 1999 gegründete Wohnungsbau Genossenschaft mit dem Namen Bremer „Beginenhof Wohnungsbau Kooperative“. Vorstandsmitglieder sind Dr. Erika Riemer-Noltenius und Elke Schmidt-Prestin. Ihre Aufgabe ist es, die Wirtschaftlichkeit des Projektes überzeugend darzustellen. Die Nachfrage ist so groß, dass schon vor dem ersten Spatenstich alle Wohnungen vergeben sind. Die Initiatorinnen sind davon überzeugt, dass das Beginenhof-Modell weltweit auf großes Interesse stoßen wird und geeignet ist, das Image von Bremen zu fördern.

Dr Erika Riemer-Noltenius ist Vorstandsmitglied der Bremer Beginen Wohnungsbau Kooperative

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 5(1999), Hamburg