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Gegen die Logik der Finanzinvestoren

Vorschlag für eine genossenschafliche Wohn- und Stadtentwicklung

*** vom Initiativkreis Genossenschaften braucht die Stadt ***

Angesichts der herrschenden Wohnungsnot scheint es kein anderes Mittel zu geben, als schnell viele Wohnungen zu bauen. Doch reicht das? Kommt es nicht darauf an, dass diese Wohnungen möglichst lange als preiswerter Wohnraum zur Verfügung stehen? Der „Initiativkreis Genossenschaften braucht die Stadt“ hat für die FreiHaus folgenden Diskussionsbeitrag mit neuen Ideen erarbeitet.

In Hamburg fehlen laut Mieterverein zu Hamburg 40.000 WE. Es ist nicht nur die wachsende Zahl von Haushalten, die zur Wohnungsknappheit in Hamburg geführt hat und ein zu spätes Gegensteuern der Politik. Finanzinvestoren nehmen den Hamburger Immobilienmarkt inzwischen in den Fokus. Sie suchen infolge der Finanzkrise sichere Anlagemöglichkeiten in „Betongold“ und die finden sie in deutschen Metropolen: Berlin, München, Frankfurt und nicht zuletzt Hamburg. Das treibt die Mieten weiter hoch.

Die Zahl der verkauften Zinshäuser ist in Hamburg 2010 gegenüber 2009 um 19% gestiegen (s. Immobilienmarktbericht 2011/12, DAIV) und das Transaktionsvolumen um fast ein Drittel auf 886 Mio. Euro. Dabei erhöhte sich der durchschnittliche Verkaufspreis um 17% auf 1.599 €/m². Für 2011 und 2012 sind weitere deutliche Steigerungen zu erwarten. Dahinter stecken 7.000 – 9.000 Wohnungen, die – Tendenz steigend – jedes Jahr verkauft werden zu einem Preis, der günstige Mieten nicht mehr möglich macht.

Stadt für Alle – durch genossenschaftliches Bauen

Der neue Senat hat den Wohnungsbau als eine zentrale Aufgabe in seine Agenda aufgenommen. Mit dem Vertrag für Hamburg verpflichten sich die Bezirke Wohnbauflächen für 6.000 Wohnungen pro Jahr zu schaffen. Die Wohnungswirtschaftlichen Verbände haben sich im „Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass ihre Mitgliedsunternehmen jährlich mit dem Bau von rund 6.000 Wohnungen beginnen. Das Wohnungsbauprogramm wurde von 1.200 WE auf 2.000 WE aufgestockt. Von den 6.000 Wohnungen sollen jährlich rund 1.000 von der SAGA und 900 von Genossenschaften und anderen VNW Unternehmen gebaut werden. Damit hat der SPD-Senat eine sozialere Wohnraumund Stadtentwicklung auf die Tagesordnung gesetzt. Reicht das, um die sozialen, wohnungspolitischen und städtischen Herausforderungen zu meistern? Oder sind weitere Instrumente hilfreich?

Sinkende Löhne und Renten, steigende Mieten – die sozialpolitische Herausforderung

Die „Welt“ schrieb am 26. März 2012 „Reallöhne von 2001 bis 2011 um 3% gesunken“ Die Kaufkraft ist in den letzten 20 Jahren nicht mehr gestiegen. Die Mittelschicht schrumpft, prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen auch in Hamburg zu. Der feste sichere Arbeitsplatz über Jahrzehnte wird – außerhalb des öffentlichen Dienstes – immer seltener. Altersarmut nimmt wieder zu, da kontinuierliche und ausreichende Einzahlungen in die Rentenkasse wegen Arbeitslosigkeit und gering bezahlter Jobs oft nicht möglich sind. Meinhard Miegel, Leiter des Bonner Institut für Wirtschaft und Gesellschaft, geht davon aus, dass 2030 etwa die Hälfte der Senioren eine Rente bezieht, die kaum höher ausfällt als die Grundsicherung (Hartz IV Niveau) (vgl. Spiegel 7/2008).

Wie lässt sich die Schere zwischen stagnierenden und sinkenden Einkommen und höheren Wohnbelastungen durch steigende Mieten und Nebenkosten wieder schließen? Der Ausbau des genossenschaftlichen Wohnungsbaus ermöglicht, zumindest den Mietanstieg zu bremsen. Die Hamburger Genossenschaften verfügen über fast 130.000 Wohnungen. Das sind etwa 14,6% des Hamburger Wohnungsbestandes. Das ist sicherlich beachtlich, aber nicht genug, um den wachsenden Herausforderungen gerecht zu werden. Eine deutliche Ausweitung des genossenschaftlichen Neubaus ist erforderlich, um in Hamburg bezahlbaren Wohnraum zu sichern und der sozialen Spaltung entgegen zu wirken. Dies setzt voraus, dass Hamburg dem genossenschaftlichen Bauen wieder Priorität einräumt und die vorhandenen Förderinstrumente ergänzt.

Bürger und Genossenschaften – als Akteure der sozialen Stadtentwicklung

Eine soziale und nachhaltige Stadt- und Wohnraumentwicklung erfordert eine Abkehr von der Stadtentwicklung durch renditeorientierte Investoren. Hamburg kann auf Finanzinvestoren nicht verzichten, aber die Stadt muss stärker lenkend eingreifen. Und die Bürger müssen eine Chance haben, ihre Stadt, ihr Quartier mit zu gestalten und zwar nicht nur durch Bürgeranhörungen, an deren Ergebnisse Investoren kaum gebunden sind. Erforderlich für die „Stadt für Alle“ ist, dass die Bürger sich an den Bautätigkeit auch finanziell beteiligen und selbst Miteigentümer werden können. Wohnungseigentum ist für viele in Hamburg unerschwinglich, aber die Beteiligung an Genossenschaften kann ein entscheidender Weg sein zum allmählichen Aufbau von Vermögen, für eine sichere und preiswerte Wohnung und zur Mitgestaltung im Quartier.

Neben der SAGA-GWG sind die Genossenschaften die für die Stadt entscheidende Partner für eine soziale und nachhaltige Wohnungsbaupolitik und gegen die fortschreitende soziale Spaltung und Segregation in der Stadt. Was zeichnet Genossenschaften aus und was sind die Voraussetzungen, damit sie eine zentralere Rolle übernehmen können für die soziale Stadt Hamburg?

Die Genossenschaftsmitglieder sind gemeinschaftlich Eigentümer – das sichert preisgünstige Wohnungen

Zweck jeder Genossenschaft ist es, die Mitglieder zu fördern. Eigentümer der Genossenschaft sind die Mitglieder. Bei Wohnungsbaugenossenschaften bedeutet Mitgliederförderung, dass die errichteten Wohnungen den Mitgliedern dauerhaft preisgünstig überlassen werden. Die Bestandspflege und die Sicherung des gemeinschaftlichen Vermögens stehen daher im Vordergrund des unternehmerischen Handels. Durch die Identität von Wohnungsnutzern und Eigentümern ist die Genossenschaft der sozial agierende Bestandshalter, der langfristig preiswerte Wohnungen anbietet. Jede Mieterhöhung muss der Vorstand der Genossenschaft letztlich auch gegenüber den Eigentümern des Unternehmens vertreten.

Entscheidend für genossenschaftliche Investitionen in den Neubau sind letztlich die Konditionen bei Grundstückserwerb und bei der Bauförderung. Die große Bauleistung der Genossenschaften vor dem 1. Weltkrieg, in den 20er und 50er Jahren resultiert auf dem Engagement von Mitgliedern und privaten Geldgebern aber vor allem staatlicher Stellen, die die Förderkonditionen an die wirtschaftlichen Bedingungen des genossenschaftlichen Bauens angepasst haben. Genossenschaften erhielten Steuerbefreiungen und finanzielle Förderung, wenn sie die Prinzipien der Gemeinnützigkeit einhielten. Die Kernpunkte der Wohnungsgemeinnützigkeit, die 1989 von der CDU/FDP Bundesregierung abgeschafft wurde, waren:

  • Dividendenbegrenzung auf 4%,
  • Transparente Mietgestaltung (über die Kostenmiete),
  • Bauverpflichtung
  • Dauerhafte, stiftungsähnliche Vermögensbindung.

Mit der ursprünglichen Kostenmiete der Genossenschaften (und gemeinnütziger Gesellschaften) sollten nur die tatsächlichen Bau- bzw. Finanzierungskosten und der Bewirtschaftungsaufwand in die Miete einfließen; die Eigenkapitalrendite war auf 4% begrenzt. Die Gemeinnützigkeit und die staatliche Förderung ließ über die Kostenmiete eine vierprozentige Eigenkapitalverzinsung zu, so dass Genossenschaften die Möglichkeit hatten, auch von den unversorgten Mitgliedern Genossenschaftsanteile für den Neubau zu erhalten. Hamburg hat unter der CDU 2003 die Kostenmiete für die Wohnungsbauförderung abgeschafft und durch eine so genannte vollständige Finanzflussrechnung (VoFi) abgelöst. Diese VoFi geht nicht von einer 4%igen Eigengeldverzinsung aus, sondern von Eigenkapitalrenditen, die am Ende der Förderung erreicht werden sollen. Die Annahmen, die in diese Prognose-Rechnung eingehen sind durchaus „optimistisch“. Eine 4%ige Eigengeldverzinsung wird nur nach Auslaufen der Mietpreisbindung (derzeit nach 15 Jahren) erreicht, wenn dann die Mieten rasant steigen oder das Gebäude verkauft wird.

Diese Förderphilosophie ist letztlich nicht nachhaltig und nicht geeignet für Unternehmen, die langfristig preiswerten Wohnraum bereitstellen wollen. München – wie Hamburg eine wachsende Stadt – setzt wieder verstärkt auf genossenschaftlichen Wohnungsbau und die Münchener Bauförderung ermöglicht es auch kleinen und neuen Genossenschaften durch eine 4%ige Eigengeldverzinsung auf Grundlage der Kostenmiete sich am Wohnungsbau zu beteiligen.

Soziales Bauen von Genossenschaften hängt – wie ein Blick in die Geschichte des Städtebaus zeigt – ganz entscheidend von der Bereitstellung städtischer Grundstücke und der Ausrichtung der Förderung ab. Das könnten die Instrumente hierfür sein.

Vergabe städtischer Grundstücke grundsätzlich an dauerhaft sozial gebundene Bestandshalter

Da Hamburg auch in Zukunft ein großes Segment preiswerter Wohnungen benötigt, sollten städtische Grundstücke grundsätzlich nur an langfristig sozial gebundene Bestandshalter vergeben werden. Sofern der Gesellschaftszweck nicht wie bei Genossenschaften und städtischen Unternehmen die langfristige preiswerte Bestandsicherung garantiert, sollte die Stadt die Grundstücke nur im Erbbaurecht vergeben und über den Erbbaurechtsvertrag soziale Belange absichern. Ausnahmen sollten nur dann möglich sein, wenn aus Gründen der Stadtentwicklung ausdrücklich hochpreisiger Wohnungsbau geboten erscheint.

Genossenschaften müssen sich bei städtischen Grundstücken derzeit grundsätzlich im „Vergabeverfahren nach Konzeptqualität“ bewerben, wobei letztlich der gebotene Grundstückspreis oft entscheidend ist. Nicht die beste Konzeptqualität entscheidet wie der der Begriff „Vergabe nach Konzeptqualität“ suggeriert, sondert die Addition von Punkten, die Konzeptqualität plus Punkte für den gebotenen Preis. Und dabei kann der Preis die Konzeptqualität leicht „toppen“, zumal die Qualitätskriterien für die Bieter oft nicht genau fassbar sind.

Die Bautätigkeit der Genossenschaften wird entscheidend davon abhängen, ob sie als dauerhaft sozial gebundene Bestandshalter faire Chancen bei der städtischen Grundstücksvergabe erhalten. München berücksichtigt langfristige Bindungen bei der Preisgestaltung für städtische Grundstücke und hat mit den „Verfahrensgrundsätzen der sozialgerechten Bodennutzung“ auch Möglichkeiten geschaffen, dass bei der Entwicklung pri vater Grundstücke auch geförderte Wohnungen errichtet werden.

Höhe der Förderung abhängig von der Dauer der Bindungen gestalten

Die kurzen Bindungen bei der derzeitigen Wohnungsbauförderung stoßen sicherlich auf Zustimmung bei der Wohnungswirtschaft. Angesichts des Auslaufens von Preisbindungen älterer Förderjahrgänge wird – trotz Neubau – der Bestand preisgebundener Wohnungen kontinuierlich geringer. Der trotz der günstigen Zinsen am Kapitalmarkt sehr hohen Wohnungsbausubvention steht kein angemessener langfristiger sozialer Ertrag für die städtische Wohnungsversorgung gegenüber.

Ob angesichts der rapide gestiegenen Grundstücks- und Baukosten die Förderkonditionen des Wohnungsbauprogramms 2012 attraktiv sind, ist abzuwarten. Berechnungen zeigen, dass angesichts der gestiegenen Baukosten die Förderkonditionen nur dann zu wirtschaftlich positiven Ergebnissen führen, wenn Eigengeldanteile von mehr als 20% aufgebracht werden und durch Verkauf, Umwandlung in Eigentumswohnungen oder kräftige Mietsteigerungen nach 15 Jahren erzielt werden können.

Die derzeitige Förderung mit einer 15-jährigen Bindung ist für Hamburg nicht nachhaltig. Langfristige statische Bindungen bedeuteten für Genossenschaften in der Vergangenheit oft Probleme. Hier muss eine neue Balance zwischen staatlicher Förderhöhe und Leistungen der Wohnungsunternehmen, die sich in ihrer Satzung langfristig sozial binden, gefunden werden. Genossenschaften als freie Assoziationen mit sozialer gesellschaftlicher Ausrichtung sollten vorangehen, mit innovativen Fördermodellen.

Genossenschaftlicher Stadtentwicklungsfonds (GSF)

Vornehmlich auf die SAGA als Stadtentwicklungsmotor zu setzen, ist nicht genug. Sinnvoll ist zusätzlich ein „Genossenschaftlicher Stadtentwicklungsfonds“ (GSF), der sich unter finanzieller Beteiligung der Stadt, von Genossenschaften und Bürgern an der Finanzierung von genossenschaftlichen Projekten beteiligt.

Dieser Fonds soll genossenschaftliche Wohnungsbau- und Stadtentwicklungsprojekte in öffentlich-privater Partnerschaft finanziell fördern, indem genossenschaftliche Bauvorhaben im Bereich Wohnungsneubau und Bestandserwerb aus dem Fonds Darlehen, Eigenkapitalersatzdarlehen oder auch Eigenkapital und eigenkapitalähnliche Beteiligungen erhalten können.

Die Entwicklung von schwierigen Grundstücken und größeren Arealen für den Neubau oder für Nachverdichtung im Bestand kann nicht Aufgabe des GSF als Kapitalfonds sein. Für die Projektentwicklung sind spezielle Kenntnisse erforderlich, die andere Aufgabenträger der Stadt oder private Institutionen übernehmen sollten. Der Ankauf von bebauten und unbebauten Grundstücken durch den GSF sollte möglich sein, wenn die spätere Veräußerung – insbesondere in Form von Erbbaurechten – die erforderliche Verzinsung der Einlagen gewährleistet.

Kapitalquellen wären (Start-)Mittel der Stadt Hamburg, der Genossenschaften und vor allem aber Einlagen der Hamburger Bürger, die ihr Geld nicht spekulativ sondern für die soziale Stadt Hamburg anlegen wollen und dies nicht zu den Konditionen eines Sparbuchs. Das deutsche Kreditwesengesetz lässt – anders als in der Schweiz – keine finanziellen (Spar-)Einlagen bei Genossenschaften zu, so dass nur große Genossenschaften mit zugelassener Spareinrichtung Spargelder der Mitglieder für die eigene Baufinanzierung nutzen können. Hamburg hat – u.a. in Form seiner Stiftungen – eine lange Tradition bei der sozialen Anlage privaten Kapitals. Wenn die Stadt selbst an dem Fonds beteiligt ist und durch Bürgschaften Sicherheiten bietet, kann man durchaus davon ausgehen, dass dies für viele Hamburger eine Anlageform ist, zu der sie mehr Vertrauen haben als zu manch anderer Geldanlage. Die Zeiten der einfachen Kreditbeschaffung werden aufgrund der Finanzkrise und der zukünftigen Vorgaben für die Kreditvergabe auch für Genossenschaften schwieriger, wie die Diskussionen in den Fachzeitschriften der Wohnungswirtschaft zeigen. Einige große Genossenschaften werden schwierige Finanzierungsbedingungen von sich weisen, aber die mehr als 50 Hamburger Wohnbaugenossenschaften sind finanziell sehr unterschiedlich aufgestellt. Deshalb sollte die Beteiligung der Genossenschaften am Fonds freiwillig sein.

Insbesondere die Übernahme von Geschäftsanteilen und eigenkapitalähnlichen Mitteln – wie stille Beteiligungen und Eigenkapitalersatzdarlehen – durch den Fonds könnten die Finanzierungskonditionen für Genossenschaften oberhalb der Realkreditgrenze deutlich günstiger gestalten.

Der Fonds bietet nicht nur Genossenschaftsmitgliedern die Chance, sichere und angemessen verzinste Spareinlagen für den Wohnungsbau zu übernehmen, sondern allen Bürger – ob reich oder arm. Mit der Geldanlage leistet jeder Anleger gleichzeitig einen Beitrag zur sozialen Entwicklung Hamburg.

Einrichtung des Fonds: Vorstellbar ist, dass der Fonds als besonderes Finanzierungsinstrument der Hamburgischen Wohnungsbaukreditanstalt (WK) bei der WK eingerichtet wird. Da ein Kapitalfonds mit von Einlagen tausender Hamburger Bürger nicht zu den Regelgeschäften der WK gehört, sollten die Hamburger Genossenschaftsbanken als Träger des Fonds in die Überlegungen einbezogen werden.

Fondskapital: Es sollten mindestens 100 Mio. Euro angestrebt werden. Hamburg will jährlich 6.000 Wohnungen pro Jahr bauen. Anzustreben wäre, dass mittelfristig davon ein Drittel als Genossenschaftswohnungen entsteht. Zudem könnten Mittel des GSF für Modernisierungen im genossenschaftlichen Wohnungsbestand und auch zum Ankauf von Wohnungen eingesetzt werden. Bei einem mittelfristigen Investitionsvolumen von 400 – 500 Mio. Euro pro Jahr könnte das jährliche Fondsvolumen bei über 100 Mio. Euro liegen. Der Fonds wird sicherlich nicht sofort große Beträge akquirie aufnehren können. Die Festlegung der Höhe des Fondskapitals ist deshalb durch entsprechende Analysen zu überprüfen unter Berücksichtigung des Bauvolumens der Genossenschaften in den nächsten Jahren, des anzustrebenden Finanzierungsanteils und der Möglichkeiten der Kapitalein lagen durch die Hamburger Bürger und die Stadt selbst.

Die Verzinsung der Einlagen sollte 0,25 – 1,0 Prozentpunkte unter der Verzinsung eines festzulegenden hypothekarischen Referenzkurses liegen. Gleichzeitig soll ein attraktiver Anlagezins geboten werden soll, der möglichst oberhalb sicherer Anlageformen für Bürger (ohne Nummernkonto in der Schweiz oder auf den Bahamas) liegt.

Neue genossenschaftliche Initiativen und Wohnprojekte mit sozialen, ökologischen Zielen stärker fördern

Neue genossenschaftliche Initiativen haben in den 80er und vor allem 90er Jahren wesentliche innovative ökologische, soziale und stadtentwicklungspolitische Akzente gesetzt. Gegenwärtig spielen sie fast keine Rolle mehr, da sie – vor allem aufgrund der Grundstückspreise, der Vergabepraxis der Wohnungsbauoffensive II (Ausschluss von kleinen Genossenschaften) und der Förderungskonditionen – praktisch keine Chancen mehr haben.

Das Potenzial dieser Gruppen lässt anscheinend der SPD-Senat liegen. Die „Blütezeit“ dieser genossenschaftlichen Projekte fällt rückblickend in die Zeit des SPD-Bausenators Wagner, der als „Beton-Eugen“ nicht gerade für Experimente im Wohnungsbau bekannt war. Damals wie heute ist die Aufbringung des Eigenkapitals bzw. von Eigenkapitalersatzmitteln das zentrale Problem von neuen Genossenschaften. Fehlendes Eigenkapital konnte über ein Nachsparen von Genossenschaftsanteilen über eine erhöhte Tilgung der Förderdarlehen ersetzt werden. Um einen Ausgleich für die anfänglich erhöhte Förderung zu schaffen, wurden dauerhafte Einkommensbindungen vereinbart und Menschen mit Behinderungen aufgenommen. Immer wieder wird unterstellt, dass kleine Genossenschaften nach guter Startförderung die öffentlichen Mittel zurückzahlen und das Projekt durch Umwandlung in Eigentumswohnungen vergolden. (Dies ist in Hamburg bisher nicht vorgekommen). Deshalb wurden an sie die Grundstücke im Erbbaurecht vergeben. Der Erbbaurechtsvertrag schloss Umwandlungen in Eigentumswohnungen aus und legte dauerhafte soziale Bindungen fest. Außerdem war die Förderung einkommensorientiert, so dass alle 2 Jahre bei Einkommenszuwachs die Förderhöhe angepasst werden konnte.

Der heutige Baustaatsrat Michael Sachs hat in den 80er Jahren die Wohnungsbaugenossenschaft Schanze eG mitgegründet und war jahrelang Aufsichtsratsmitglied. Ohne seine Hilfe wäre die Zeisewiese in Altona nicht überwiegend durch genossenschaftliche Projekte bebaut worden.

Statt die Potenziale neuer Projekte für die Entwicklung eines dauerhaft preiswerten und sozial gebundenen Wohnungsbestandes zu nutzen, gewinnt man den Eindruck, dass die SPD nur noch auf Baugemeinschaften mit Einzeleigentum setzt und auf die Abwicklung des genossenschaftlichen Fördersegments betreibt.

Die weltoffene Stadt Hamburg braucht mehr als schicke Eigentumsbaugemeinschaften für besser situierte Starterhaushalte, denn der Anteil geförderter Eigentumswohnungen in den Baugemeinschaften sinkt kontinuierlich. Trotz einiger aufgeweckter Bestandsgenossenschaften, die Baugruppen aufnehmen, bedarf es für eine lebendige genossenschaftliche Weiterentwicklung klare Chancen für neue Genossenschaften und kleine Dachgenossenschaften. Hamburg darf nicht wieder zum genossenschaftlichen closed shop werden. Neugründungen der letzten Jahre in München, Zürich und Berlin zeigen, dass Hamburg längst nicht mehr Spitze ist.

Die Förderung von genossenschaftlichen Initiativen bedarf einer grundlegenden Neuorientierung. Was muss sich ändern?

  • Genossenschaftliche Initiativen erhalten wieder eine Chance bei der Grundstücksvergabe, indem kleine Genossenschaften bei der Vergabe auch größerer Grundstücksareale vorrangig berücksichtigt werden.
  • Beim Vergabeverfahren darf nicht entscheidend sein, wer mit den schönsten Entwurfszeichnungen kommt und die beste Präsentationsshow abliefert, sondern auf wirtschaftlicher Basis die sozial, ökologisch und wohnungspolitisch nachhaltigste Bebauung.
  • Die Grundstücke werden von einem sozialen Bodenträger, den zu gründenden GSF, erworben und im Erbbaurecht an die genossenschaftlichen Projekte vergeben. Der Erbbaurechtsvertrag beinhaltend über die gesamte Laufzeit eine Anteil von Wohnungen, der für einkommensschwache Haushalte vorzuhalten ist.
  • Das Eigenkapital kleiner Genossenschaften erfordert weiterhin eine gemischte Einkommensstruktur mit einer solidarischen Lastenverteilung bei der Eigengeldaufbringung, so dass finanzstärkere Mitglieder höhere Anteile aufbringen und finanzschwächere Mitglieder Anteile nachsparen können.
  • Die Förderung muss die reale Baukostenentwicklung berücksichtigen.
  • Eingebrachtes Eigenkapital wird mit 4% – wie in München – verzinst.
  • Eigenkapital-Vorfinanzierung mit klaren Konditionen der WK bzw. des GSF.

Die Bürger haben ein Recht auf Mitgestaltung und Aneignung ihrer Stadt. Deshalb mit Genossenschaftlichem Stadtentwicklungsfonds der Bürger gegen die Logik der Finanzinvestoren.

Der „Initiativkreis Genossenschaften braucht die Stadt“ trifft sich in unregelmäßigen Abständen bei STATTBAU. Kontakt über Tobias Behrens.

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 18(2012), Hamburg