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Artikel Rechtsform/Genossenschaft Wohnungspolitik

Genossenschaftliche Innovation und Wohnungspolitik

*** von Angelika Mertens ***

Die meisten Wohnungsbaugenossenschaften sind bereits 50 Jahre alt, einige mehr als hundert. Wie steht es da um Zukunft und Innovation? Das waren Themen einer Veranstaltung des Vereins zur Förderung des Genossenschaftswesens Anfang des Jahres in Hamburg.

Attraktives Wohnen

Das Wohnen bei Genossenschaften ist und bleibt attraktiv. Dies war die übereinstimmende Meinung der TeilnehmerInnen an einer Veranstaltung des „Vereins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens“ im Februar dieses Jahres in Hamburg, bei der es um die Zukunft der Genossenschaften ging.

Leider ist die Identifikation mit der Genossenschaft oder gar mit dem genossenschaftlichen Gedanken – Solidarität, Mitbestimmung, Selbsthilfe – stärker zurückgegangen, als es manchen Verfechtern der genossenschaftlichen Idee lieb ist. Wenn es dabei bliebe, wäre das ein großer Verlust an sozialer und gemeinschaftlicher Wohnqualität in unserem Land.

Genossenschaftliches Profil zeigen

Genossenschaftliches Wohnen muß sein eigenes Profil behalten, aber gleichzeitig den Herausforderungen von morgen anpaßt werden. Mehr als andere Wohnungsunternehmen sind Genossenschaften auf ihre Mitglieder verpflichtet. Aktive Beteiligung ist Grundprinzip – und muß gelebt werden. Dies könnte sich beispielsweise auf die besondere Betreuung und Einbeziehung der Mitglieder beziehen, auf die Mietpreisgestaltung und auf die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche der Genossen bei der Wohnungs- und Wohnumfeldgestaltung. Eine Herausforderung auch an die Vorstände der Baugenossenschaften.

Finanzielle Förderung sicherstellen

Auf der Veranstaltung wurde deutlich: Die Attraktivität genossenschaftlicher Wohnformen könnte nach Auffassung aller auch durch eine verbesserte steuerliche Förderung erhöht werden. Differenzen gab es bei der Frage über die Höhe der Förderung und bei den daraus resultierenden Rechten für die Mitglieder. In diesem Zusammenhang wurde auch auf einen Antrag der SPD-Bundestagsfraktion aus der vergangenen Legislaturperiode hingewiesen. Der hatte zum Ziel, das finanzielle Engagement von Genossenschaftsmitgliedern zu stärken. Damals diskutierte die SPD-Fraktion intensiv über die Frage, welche Rechte ein stärkeres Engagement den Mitgliedern eröffnen sollte. Für die Genossenschaften erwies sich dabei aber die Formulierung der „dauerhaften Mietpreisreduzierung“ und des „vererbbaren Nutzungsrechts an der aktuell bewohnten Wohnung“ als zu weitgehend.

Genossenschaftliche Zulage?

Übereinstimmung konnte im Verlauf der Diskussion allerdings in einem wesentlichen Punkt erreicht werden: Grundsätzlich soll im Rahmen der genossenschaftlichen Förderung an einem „dualen“ Fördersystem festgehalten werden: Sowohl die Genossenschaften als Institution als auch die Genossenschaftsmitglieder als Personen sollen begünstigt werden. Dies entspricht der Überzeugung, dass dem genossenschaftlichen Gedanken vor allem dann gedient ist, wenn mehr Menschen bereit sind, Mitglieder in einer Genossenschaft zu werden und privates Kapital in diese einzubringen. Diese Bereitschaft wird sich erhöhen, wenn das im eigenen Portemonnaie zu spüren ist.

Aus diesem Grunde plädierte die Mehrzahl der TeilnehmerInnen für eine genossenschaftskonforme Weiterentwicklung des Grundgedankens im § 17 Eigenheimzulagengesetzes – nämlich die individuelle Förderung der Genossenschaftsmitglieder – in Verbindung mit einer Förderung der Genossenschaft auf der Grundlage einer Investitionszulage. Die Umstellung der steuerlichen Förderung auf eine solche Zulage sollte in den kommenden Monaten weiterverfolgt werden.

Hamburger Modell vorgestellt

Erstmals wurde einem Fachpublikum das Hamburger Modell für ein genossenschaftliches und nachbarschaftliches Wohnen vorgestellt. Es beinhaltet die Einrichtung eines revolvierenden Fonds, der durch steuerliche Begünstigungen (Zulagen) auf gezeichnete Einlagen von Mitgliedern und Förderern von Wohnungsbaugenossenschaften gespeist werden soll. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sollen nachbarschaftsorientierte Formen genossenschaftlichen Wohnens gefördert und genossenschaftliche Neugründungen leichter gemacht werden.

Angelika Mertens, MdB, ist wohnungs- und verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion

Zuerst veröffentlicht: Freihaus 4(1999), Hamburg