Kategorien
Altwerden im Quartier Artikel Stadtentwicklung Stadtsanierung/Stadterneuerung Wohnungspolitik

Stadtentwicklung und Städtebauförderung für lebenslanges Wohnen im Quartier

Interview mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen

Welche konkreten Programme/Maßnahmen gibt es im Rahmen der Städtebauförderung, um ein „Wohnen bleiben im Quartier“ zu ermöglichen?

Das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung, kurz RISE, fasst die Programme der Städtebauförderung in Hamburg unter einem Dach
zusammen. Ziel ist es, Quartiere mit besonderem Entwicklungsbedarf städtebaulich aufzuwerten, sozial zu stabilisieren und die Lebensqualität zu verbessern. Gefördert werden können z.B. Neubau, Qualifizierung, Ausbau, Modernisierung und Erweiterung sozialer Infrastrukturein-richtungen oder Quartierszentren, die soziale und kulturelle Angebote in einem Gebäude bündeln. Diese Maßnahmen können eine selbstbestimmte Lebensweise älterer Menschen sowie von Menschen mit Behinderung, Pflegebedarf und Demenz unterstützen.
Außerdem hat der Senat den Stadtentwicklungsfonds „Lebendige Quartiere“ eingerichtet. Ziel ist es, den sozialen Zusammenhalt in der Stadt zu stärken. Die Wohn- und Lebensqualität wird verbessert, indem die soziale und (sozio-)kulturelle Infrastruktur modernisiert und ausgebaut wird. Orte der Begegnung und Kommunikation im öffentlichen Raum werden geschaffen und sozialintegrative Maßnahmen unterstützt. Ein wichtiger Förder-schwerpunkt sind Maßnahmen zur Förderung des Wohnen bleiben im Quartier. Die Infrastruktur soll so qualifiziert werden, dass älteren Menschen und Menschen mit Unterstützungsbedarf eine selbstständige Lebensführung und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird. Dafür sind bauliche Anpassungen und flexibel abrufbare Dienstleistungen notwendig, wie Betreuungsangebote, zentrale Anlaufstellen und Orte der Begegnung. Gefördert werden können z.B. gesundheits- und bewegungsfördernde Angebote, altersgerechte Umbauten, Quartiers- und Nachbarschaftsräume,
barrierefreie Umgestaltungen von Außenanlagen, Gemeinschaftsgärten sowie sozialintegrative Maßnahmen.

Welche kurzfristigen Maßnahmen werden zusätzlich als Reaktion auf die Wohnungsbaukrise ergriffen?
Bauen ist schlechtweg zu teuer geworden. Deswegen hat die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen mit weit über hundert Akteurinnen und Akteuren aus Architektur, Bauwirtschaft, von Mieterverbänden und weiteren Beteiligten wie der SAGA vor gut einem halben Jahr die „Initiative kostenreduziertes Bauen“ ins Leben gerufen. Hierüber soll
ein „Hamburg Standard“ festgelegt werden, über den es möglich ist, die Baukosten um ein Drittel zu senken. Der Prozess läuft derzeit auf Hochtouren und die Initiative ist zuversichtlich, bis zum Jahreswechsel
erste Ergebnisse zu präsentieren.
Darüber hinaus wird die Hamburger Wohnraumförderung
regelmäßig an die steigenden Kosten angepasst, so dass die Anfangsmieten für neu geförderte Wohnungen zuletzt nur sehr moderat um
10 Cent pro Quadratmeter im Monat gestiegen sind. 2024 stehen insgesamt 779 Millionen Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Dass die Förderung wirkt, merken wir an den Zahlen: die Genehmigungen im
geförderten Wohnungsbau nehmen wieder spürbar zu. In der Modernisierungsförderung ist es nun möglich, nicht nur Zuschüsse über 10 Jahre, sondern auch zinsverbilligte Förderdarlehen zu einem Prozent
18 über 10 oder 20 Jahre zu erhalten. Interessant sind auch die Fördermöglichkeiten für den strukturellen barrierefreien Umbau ganzer Bestandswohngebäude einschließlich des ergänzenden Neubaus oder der Modernisierung von Aufzugsanlagen. Darüber hinaus haben wir kürzlich den 3. Förderweg eingeführt. Dieser zielt darauf ab, auch Haushalte mit mittleren Einkommen mit geförderten Mietwohnungen bei einer anfänglichen Netto-Kaltmiete von 12,10 Euro pro Quadratmeter zu versorgen.

Welche weiteren Stellschrauben sieht die BSW, um im Bestand und im Neubau Wohnen bleiben im Quartier zu ermöglichen?
Der Zuwachs barrierefreier und barrierereduzierter Wohnungen wird im freifinanzierten Wohnungsbau durch Vorgaben in der Hamburger Bauordnung und im öffentlich geförderten Wohnungsbau durch
Vorgaben in den Richtlinien positiv beeinflusst.
Neben der Schaffung von barrierefreiem und barrierereduziertem Wohnraum setzen wir eine altersgerechte Quartiersentwicklung mithilfe verschiedener weiterer vielfältiger Angebote um. Hierzu gehören der Ansatz „Lebendige Nachbarschaften“ (LeNa), generationsübergreifende Wohn- und Baugemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser,
Servicewohnanlagen (betreutes Wohnen) sowie Senioren- und Wohn-Pflege-Gemeinschaften. Weitere Stellschrauben sind Konzept-ausschreibungen, Städtebauliche Verträge, Soziale Erhaltungsverordnungen und das Sozialmonitoring.
LeNa ist ein von der SAGA entwickeltes Wohn- und Betreuungskonzept, das lebenslanges Wohnen in aktiven Nachbarschaften ermöglicht. Es
bietet selbstbestimmtes Wohnen in der eigenen Mietwohnung, Versorgungssicherheit durch vor Ort flexibel abrufbare Dienstleistungen und ein unterstützendes nachbarschaftliches Miteinander. Die Bewohnerinnen und Bewohner organisieren ihre nachbarschaftlichen
Ideen und Aktivitäten weitgehend selbst, unterstützt durch eine Projektkoordination. Zentrale Anlaufstellen sind ein Nachbarschaftstreff,
ein Nachbarschafts- bzw. Quartiersbüro. Diese sehr umfassende Zielsetzung ist jedoch nicht in allen Hamburger Stadträumen umsetzbar und bedarf eines zeitlich langfristigen Vorlaufs. Bei Neubauquartieren wie der HafenCity oder dem Grasbrook und Oberbillwerder werden die
Wohnbedarfe älterer Menschen sowie von Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf von Anfang an systematisch mitgedacht und eingeplant. Mithilfe des Instruments der Konzeptausschreibungen können
wir über unterschiedliche wohnungspolitische Bausteine in den Bewertungskriterien die Schaffung von altersgerechtem Wohnraum berücksichtigen – bedarfsgerecht und passend zum jeweiligen Quartier.
Weiterhin können in vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahren
über entsprechende Vereinbarungen in Durchführungs- bzw. städtebaulichen Verträgen Anteile von seniorengerechten Wohnungen
vereinbart werden.
Soziale Erhaltungsverordnungen sind ein wesentliches Instrument der Hamburger Wohnungspolitik, mit dem bezahlbarer Wohnraum erhalten wird und somit Verdrängungen reduziert werden. Davon profitieren
insbesondere auch ältere Menschen, die zu den eher verdrängungssensiblen Bevölkerungsgruppen zählen und besonders auf die Sicherung günstigen Wohnraums angewiesen sind. Auch Hamburger Wohnstifte als traditionelle und wichtige Anbieter bezahlbaren Wohnraums für ältere Menschen erfahren durch die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen vielfältige Unterstützung.
Baugemeinschaften ermöglichen zudem selbstbestimmtes Wohnen in selbstgewählter Nachbarschaft. Mit unserem Sozialmonitoring behalten wir
außerdem sozialräumliche Entwicklungen mit Hilfe kleinräumiger Sozialdaten im Blick, können Unterschiede innerhalb der Stadt erkennen und frühzeitig auf mögliche Handlungsbedarfe reagieren.

Welche neuen Erkenntnisse ergeben sich aus der Studie „Wohnen bleiben im Quartier“? 1
Die Ergebnisse der Studie werden derzeit ausgewertet
und nächste Schritte vorbereitet. Schon jetzt sehen wir, dass die LeNa-Projekte einen wichtigen Beitrag zum Ziel „Wohnen bleiben im
Quartier“ leisten und wertvolle Ankerpunkte in den Quartieren sind. Mit den aktuell vier LeNa-Standorten der SAGA bietet das städtische Unternehmen ein zielgenaues Angebot, das weiter ausgebaut wird.
Werden alle älteren Einrichtungen in der Stadt sowie konzeptionell abweichende aber zielverwandte Projekte dazu gezählt, ergibt sich eine Gesamtzahl von derzeit 30 Angeboten in Hamburg.
Zudem wurden insgesamt 70 sogenannte Fokusräume erfasst, in denen weitere Angebote entstehen können. Die konkrete Umsetzung wird derzeit geprüft.
Zudem können die Programme der Hamburger Wohnraumförderung, das Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung RISE, der Stadtentwicklungsfonds Lebendige Quartiere StEF und die
Förderung von kleinräumigen, quartiersorientierten Wohn- und Versorgungsformen der Sozialbehörde für die Umsetzung einzelner Maßnahmenbausteine eingesetzt werden. So sind die Voraussetzungen für die Schaffung neuer LeNa-Angebote bzw. LeNa-ähnlicher Angebote in den kommenden Jahren gegeben.

1 Der Bericht zur Machbarkeitsstudie Wohnen bleiben im Quartier
ist im Transparenzportal der FHH veröffentlicht: https://suche.
transparenz.hamburg.de/dataset/bericht-machbarkeitsstudie-
wohnen-bleiben-im-quartier  (28.10.2024)