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Wer zahlt es … ?

Finanzierung gemeinschaftlicher Wohnprojekte

*** von Joscha Metzger ***

Wohnungsbauprojekte kosten Geld. Für viele Menschen ist der Bau des eigenen Hauses oder der eigenen Wohnung die aufwändigste Finanzierung, die sie in ihrem Leben stemmen. Dies gilt auch für das Planen und Bauen in Gruppen. Gemeinschaftliche Bauprojekte bieten gegenüber dem Einfamilienhaus oder der Eigentumswohnung den großen Vorteil, dass anfallende Belastungen auf mehrere Schultern verteilt werden und durch Ansätze solidarischer Finanzierung ggf. sozial ausgeglichen werden können. Dennoch bleibt immer die große Frage: Wer zahlt es? Und woher kommt das Geld?

Gemeinschaftliche Finanzierungen innerhalb einer Gruppe gerecht zu gestalten, ist eine der zentralen Herausforderungen sozialer Nachhaltigkeit in Wohnprojekten. Bis heute wurden verschiedene Ansätze kollektiver Finanzierung entwickelt, die diese teilweise von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der einzelnen Beteiligten entkoppeln. Solange wir innerhalb kapitalistischer Wirtschaftsstrukturen leben, wird die Frage der Finanzierung jedoch immer auch eine Frage des sozialen Ein- und Ausschlusses bleiben.

In Hamburg werden die Kosten für ein gefördertes Bauvorhaben üblicherweise durch einen Anteil von ca. 15 – 25% Eigenkapital und ca. 75 – 85% Darlehen und Zuschüssen der landeseigenen Investitions- und Förderbank (IFB) bestritten. Beide Finanzierungsquellen, das Eigen- sowie das Fremdkapital, sind in sozialer Hinsicht herausfordernd: Eigenkapital muss aufgebracht werden, ist vielfach schlicht nicht ausreichend vorhanden und gesellschaftlich ungleich verteilt. Fremdkapital aufzunehmen kostet Geld in Form von Zinsen und Tilgung. Je weniger davon nötig ist, desto günstiger wird in der Regel die Miete. Im Fall der Hamburgischen Finanzierung über die IFB ist die Miete anhand der Richtlinien des geförderten Wohnungsbaus fixiert und wird durch laufende Zuschüsse bis zur Kostenmiete ergänzt. Die Höhe der Darlehen ist allerdings begrenzt. Kostenerhöhungen können nur über weiteres Eigenkapital abgefangen werden.

WOHER KOMMT DAS EIGENKAPITAL?
BESONDERHEITEN DER GENOSSENSCHAFT UND DES MIETSHÄUSERSYNDIKATS

In der Regel besteht eine Baugruppe aus unterschiedlich vermögenden Mitgliedern. Es müssen also Wege gefunden werden, um das für das Bauvorhaben nötige Eigenkapital zusammenzutragen, ohne die finanzschwächeren Mitglieder zu überlasten. Dafür gibt es insbesondere zwei bekannte Vorgehensweisen: Die Genossenschaft, in der gilt, dass jedes Mitglied unabhängig vom eingebrachten Kapital eine Stimme hat und das Mietshäusersyndikat, welches für sein Modell mit dem Slogan wirbt, „Lieber tausend Freund*innen im Rücken als eine Bank im Nacken“. Wie funktionieren diese beiden Ansätze kollektiver Finanzierung?

In Genossenschaften bringen alle Mitglieder Geld in Form von Anteilen ein und werden damit Mit-Eigentümer*innen des Projekts. Häufig wird davon ausgegangen, dass alle Beteiligten auch in gleichem Maße Anteile einzahlen. Es ist aber möglich, dass finanzstarke Mitglieder freiwillig mehr Belastung schultern, um andere zu entlasten. Es gibt Pflichtanteile, die sich zumeist an den Quadratmetern der genutzten Wohnung orientieren. Darüber hinaus können Mitglieder freiwillig weitere Anteile einzahlen oder der Genossenschaft zweckgebundene Darlehen zukommen lassen. Die Gruppe kann außerdem fördernde Mitglieder aufnehmen (sog. „investierende Mitglieder“), die nicht im Haus wohnen wollen, aber Geld einbringen. Für die Umsetzung besonderer Finanzierungskonstrukte sollte eine Genossenschaft in jedem Fall den Rat von Expert*innen wie bspw. dem ZdK (Zentralverband der Konsumgenossenschaften) einholen.

Die Idee des Mietshäusersyndikats ist so angelegt, dass die Frage der Finanzierung von der der Nutzung getrennt wird. D.h. die ­Personen, die im Wohnprojekt wohnen wollen, müssen nicht zwingend diejenigen sein, die das Geld aufbringen. Das Besondere an diesem Modell ist, dass der „Ausschlussmechanismus Eigengeld“ somit stark eingegrenzt bzw. abgemildert werden kann. Im Syndikatsmodell funktioniert das so, dass die Gruppe bei ihren Freund*innen, Verwandten und weiteren Menschen, die das konkrete Projekte unterstützenswert finden, um Direktkredite werben. Diese Kredite können kleine oder große Summen umfassen – je nach Investitionsbereitschaft der Darlehensgeber*innen – und werden durch Verträge in ihren Konditionen festgelegt. Das gesammelte Geld kann dann gegenüber Banken als Eigenkapital vorgewiesen werden. Das Verfahren wird allerdings nur von solchen Banken akzeptiert, die damit bereits gute Erfahrungen gemacht haben. Bisher hat die Direktkredit-Finanzierung noch nicht dazu geführt, dass die Projekte „keine Bank im Nacken“ haben, denn aufgrund der erforderlichen Baukosten muss weiteres Fremdkapital aufgenommen werden.

DIE ROLLE DER BANKEN

Der große Anteil an Fremdkapital verweist auf die zentrale Rolle der Banken in der Wohnungsbaufinanzierung. Eine Baugruppe begibt sich in die Abhängigkeit der Kreditinstitute, welche das Projekt und die Mitglieder auf Bonität und Sicherheiten prüfen. Einige Banken haben inzwischen Erfahrung mit der Finanzierung gemeinschaftlicher Bauvorhaben gemacht und können Gruppen daher auch sehr spezifisch beraten. Für die Auswahl der „richtigen“ Bank sollte eine Gruppe sich Zeit nehmen, verschiedene Angebote einholen und lokale Beratungsstellen zu Rate ziehen. In Hamburg nimmt für geförderte Projekte die landeseigene IFB zumeist die Rolle in der Baufinanzierung ein.

SOZIALE UND ENERGETISCHE WOHNRAUMFÖRDERUNG
IN HAMBURG UND ANDERSWO

Ohne staatliche Fördergelder ist bezahlbarer Neubau kaum zu realisieren. Dies gilt umso mehr für angespannte Märkte. In Hamburg entwickelt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen seit etlichen Jahren in Zusammenarbeit mit der IFB ausgefeilte Förderinstrumente für das gemeinschaftliche Wohnen. Für kollektiv orientierte Projekte ist dabei die Förderrichtline „Baugemeinschaften mit genossenschaftlichem Eigentum“ zentral. Hier werden die Förderbedingungen für Kleingenossenschaften, Projekte unter Dachgenossenschaften sowie mittlerweile auch Projekte im Mietshäusersyndikatsmodell ausgeführt. Die Förderung besteht aus Darlehen sowie einmaligen und laufenden Zuschüssen. Das zugrundeliegende Prinzip ist einfach: Die Anfangsmieten geförderter Wohnungen sind für die Nutzer*innen verhältnismäßig günstig (im Jahr 2022 lagen die Mieten je nach Haushaltseinkommen zwischen 6,90 Euro und 12,70 Euro netto kalt); die „Lücke“ zur Kostenmiete (welche sich aus den Baukosten ergibt) wird durch Zuschüsse der IFB geschlossen. Im Gegenzug dürfen die Wohnungen nur von Menschen bezogen werden, die bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Über den üblichen ersten und zweiten Förderweg ermöglicht Hamburg hier aber einen dritten und ggf. vierten Förderweg, durch den auch Menschen mit einem höheren Einkommen Teil der Baugemeinschaft werden können. Die Förderdetails sind komplex und sollten mit Baubetreuungsunternehmen besprochen werden.

Soziale Wohnraumförderung ist in Deutschland maßgeblich Sache der Länder und unterscheidet sich dementsprechend. Finanzierungsbedingungen in anderen Bundesländern sollten daher mit regionalen Expert*innen wie der ­Stiftung Trias, den Wohnbund-Beratungsstellen oder den Regionalberatungen des Mietshäusersyndikats besprochen werden. Dasselbe gilt für Fördermaßnahmen ökologisch nachhaltigen Bauens und anderer Kredite der KfW. Auch hier bietet sich ein weites Feld an Darlehen und Zuschüssen, deren konkrete zukünftige Ausgestaltung derzeit jedoch offen ist.

AUSBLICK

In Hamburg zeigt die bisherige Erfahrung, dass das Zusammenspiel aus gemeinschaftlicher Aufbringung des Eigengeldes und Landesförderung sowie teilweise ergänzenden Darlehen weiterer Banken die Finanzierung von Baugruppen im kollektiven Eigentum möglich macht. Etliche Projektrealisierungen belegen dies. Jede in Gründung befindliche Baugruppe muss sich jedoch aufs Neue mit den aktuellen Kosten- und Finanzierungsbedingungen auseinandersetzen. Weltweite Krisen, die die Herstellung und Lieferung von Baustoffen beeinträchtigen, steigende Zinsen und unsichere Förderbedingungen machen konkrete Aussagen zur Zukunft gemeinschaftlicher Bauvorhaben derzeit schwer. Besonders schmerzhaft für viele Projekte waren die Veränderungen bzw. die Einstellung der KfW-Förderung für energieeffiziente Wohngebäude in diesem Jahr. Es bleibt zu hoffen, dass Hamburg seiner Fördertradition treu bleibt und nötige Anpassungen vornimmt. Darüber hinaus bleibt zu hoffen, dass gemeinwohlorientierte Bauvorhaben und solche im kollektiven Eigentum insgesamt stärkere Unterstützung bekommen, um diesen kleinen aber wichtigen Bereich nachhaltiger Wohnungsversorgung weiter auszubauen.

Bezahlbarkeit und die Unverkäuflichkeit der Immobilie sind häufig zentrale Anliegen gemeinschaftlicher Wohnprojekte. (Bild: Webseite des 3-Häuser-Projekts im Mietshäuersyndikat)

Joscha Metzger promovierte zum Thema Genossenschaften und Wohnungsfrage und arbeitet als Projektentwickler und Baubetreuer bei STATTBAU HAMBURG.

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Cover der Freihaus Ausgabe Nr. 26, erschienen im Dezember 2022

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 26(2022), Hamburg