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Architektenwettbewerbe von Baugemeinschaften

Das Recht auf freie Architektenwahl wird zunehmend in Frage gestellt

*** von Tobias Behrens und Joachim Reinig ***

In den vielen großen neuen Stadtentwicklungsgebieten wurden von Seiten der Stadtplanung und des Hamburger Oberbaudirektors bisher immer sehr aufwendige Architektenwettbewerbe gefordert.

DIE ERFAHRUNG MIT ARCHITEKTURWETTBEWERBEN

Dies hat oftmals dazu geführt, dass sich Kleingenossenschaften kaum an diesen Grundstücksausschreibungen beteiligt haben, weil der Aufwand im Rahmen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus nicht umsetzbar erschien. Wenn es doch versucht wurde, sind diese Projekte gescheitert – wie z. B. im Pergolenviertel. Nur einmal hat es funktioniert: Die Realisierung der Baugemeinschaft Möwe mit der wohnreform eG in der Mitte Altona.
STATTBAU HAMBURG hat in den letzten Jahren als Sachpreisrichter an folgenden Wettbewerben als Mitglied des Verfahrens teilgenommen: Eppendorf (ehemaliges Bethanien-Krankenhaus in der Martinistraße), Mitte Altona (zwei Baublöcke, insgesamt neun Grundstücke), Barmbek/Wittenkamp und Stellingen/Sportplatzring.
Auslober waren immer traditionelle Genossenschaften, bis auf das Vorhaben in der Mitte Altona. Hier waren bei neun Bauherren auch eine Kleingenossenschaft und zwei Eigentümergemeinschaften dabei.
Unterm Strich sind nach unseren Erfahrungen diese Wettbewerbe immer kostentreibend, weil in solchen Sitzungen niemand das Kostenthema ernsthaft anspricht, es ist auch nicht wirklich Gegenstand der Vorprüfung. Zwar gibt es manchmal Aussagen zu den Kosten, aber die werden dann ganz locker beiseite gewischt, begründet mit der Schönheit des favorisierten Entwurfs.
Der Oberbaudirektor oder der Stadtplaner oder Baudezernent des Bezirks sind bei solchen Diskussionen immer sehr meinungsstark präsent und setzen häufig ihren Willen bzw. ihre Geschmacksvorstellungen durch. Objektive Kriterien sind nicht oftmals nicht erkennbar.
Die mit der Entscheidung für den Siegerentwurf verbundenen Mehrkosten (im Vergleich zu den anderen Entwürfen), muss immer der Bauherr bezahlen. Es gibt in der Hamburger Förderung nur einen Baustein für Wettbewerbe, in dem ­werden bis zu 40 % der Kosten als Zuschuss (max. 50.000 €) mitgefördert. Für alle anderen mit dem Siegerentwurf ­verbundenen Zusatzkosten gibt es keine zusätzlichen Förderbausteine.
Deshalb bedeuten Architektenwettbewerbe für Kleingeossenschaften immer ein gewisses Kostenrisiko, wenn der vermutlich teure Siegerentwurf umgesetzt werden muss.
Drei kleigenossenschaftliche Projekte hat STATTBAU ­HAMBURG in den letzten Jahren in Hamburg betreut: Vogelhüttendeich in Wilhelmsburg (2019 bezogen), Brückwiesenstraße in Groß Borstel (Mitte 2020 bezogen) und Sanitastraße in Wilhelmsburg (Baubeginn Anfang 2021).
Alle Planungsprozesse liefen ohne Wettbewerbe, die Gruppen haben sich ihren Architekten selbst gesucht und dann den Entwurf mit der Stadtplanung in intensiven Gesprächen abgestimmt. So bestimmt die Baugruppe das Geschehen und kann in Abstimmung mit ihrem ArchitektIn auch immer die Kostenseite mit im Auge behalten. STATTBAU HAMBURG empfiehlt daher ganz auf Wettbewerbe in der ­Realisierung von Baugemeinschaften zu verzichten.
Eine Variante ist ein kleineres Verfahren zum städtebaulichen Entwurf, wie es zum Beispiel bei zwei Stiftungen in Blankenese durchgeführt wurde. Dort gab es kein Baurecht für das, was die Stiftungen neu bauen wollten. In Abstimmung mit dem jeweiligen Bezirk und dem Oberbaudirektor wurde von den Stiftungen ein kleines städtebauliches Entwurfsverfahren durchgeführt mit drei von den Stiftungen ausgesuchten Büros Es gab einen Betreuer für das Verfahren und ein Programmheft dazu, was in Abstimmung mit dem Bezirk erstellt wurde. Bei der Jury waren dann dabei: freie Architekt*innen, Oberbaudirektor und Bezirk, die Stiftungen und auch die Kommunalpolitik mit allen Fraktionen. Dann wurde ein Siegerentwurf gefunden und es konnte direkt ein Bau­antrag eingereicht werden, d. h. auf ein Vorbescheidsverfahren konnte verzichtet werden.

WENN WETTBEWERBE – DANN KOOPERATIVE VERFAHREN

Wenn an besonderen Stellen in der Stadt aus herausragenden städtebaulichen Gründen ein Wettbewerbsverfahren für Bau-gemeinschaften verpflichtet wird, sollte dies die Interessen der Baugemeinschaften und deren wirtschaftliche Möglichkeiten berücksichtigen. Das bedeutet: Grundlage ist die Richtlinie für Planungswettbewerbe RPW 2013 in der Fassung vom 31.1.2013. Das Standardverfahren ist der Kooperative Wettbewerb. AusloberIn ist maßgeblich die Baugemeinschaft. Sie bestimmt die Aufgabe, lobt den Wettbewerb aus, bestimmt die Verfahrensart und beruft das Preisgericht.
Bei Baugemeinschaftsprojekten unter dem Dach von Traditions-genossenschaften wird mit der Baugemeinschaft ein Einvernehmen und Parität hergestellt. Die auslobende ­Baugemeinschaft kooperiert dabei mit der Stadt Hamburg, vertreten durch den Oberbaudirektor und der Bezirks­verwaltung und den kommunalpolitischen Vertreterinnen aus der Bezirksverwaltung. Dabei lässt sich die Baugemeinschaft in der Regel auch von erfahrenden Baubetreuerinnen beraten.
Die AusloberIn bestimmt die Anzahl der Teilnehmer*innen und wählt diese aus. Das Preisgericht ist unabhängiger Berater der AusloberIn. Es wird nach seiner Qualifikation ausgewählt, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen von Baugemeinschaften.
Zu den Wettbewerbsaufgaben gehört auch die Darstellung der Methoden kooperativen Planens und einer Darstellung des Vorgehens bei der Beteiligung der Nutzer.

Tobias Behrens Geschäftsführer von STATTBAU HAMBURG und der Architekt Joachim Reinig sind im freihaus-Beirat engagiert.

Kontaktbörse Baugemeinschaften

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Cover der Freihaus Ausgabe Nr. 25, erschienen im November 2020

zuerst veröffentlicht: FreiHaus 25(2020), Hamburg